Deutsche Fayencefliesen des 18. Jahrhunderts im Porzellanzimmer von Schloss Aystetten

 

Das Schloss

Schloss Aystetten liegt nordwestlich von Augsburg in der Gemeinde Aystetten im schwäbischen Landkreis Augsburg. Es ist ein dreigeschossiger einflügeliger Bau mit Satteldach.

Das Schloss wurde erstmals 1428 urkundlich als Lehen des Augsburger Bischofs an die Patrizierfamilie Langenmantel erwähnt. Zu den Schlossherren gehörten im 17. Jahrhundert die Augsburger Patrizierfamilien Eggenberger und Herwarth, das Kloster Heilig Kreuz der Augustiner-Chorherren, Anton Fugger und ab 1615 die Patrizierfamilie Fleckheimer.

Schloss Aystetten wurde im Dreißigjährigen Krieg fast völlig zerstört. Ab 1693 erfolgte der Wiederaufbau durch Leonhard Carl Sulzer. Anno 1718 kaufte Franz Wilhelm von Langenmantel den Besitz. Ihm folgte 1729 der einer Frankfurter Bankiersfamilie entstammende Silber- und Wechselhändler Christian von Münch. Er ließ das Schloss um 1740 auf die doppelte Größe erweitern und Gärten in der Mode der Zeit anlegen.

 

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Detail aus einem Kupferstich von Johann Balthasar Probst nach Johann Thoma Kraus

 

Der Kupferstich zeigt die Schlossanlage um 1740. Die Tür ganz links führt in das bei der Erweiterung des Schlosses eingerichtete von Fenstern flankierte Porzellanzimmer.

1858 übernahm Johann Paul von Stetten, Inhaber der Stetten-Halder-Bank und Urenkel von Christian von Münch, Schloss und Liegenschaften.

Schloss Aystetten ist heute in der sechsten Generation im Besitz derer von Stetten.

 

 

Porzellanzimmer

Dem kühlen Gartenzimmer ist ein französischer Garten vorgelagert. Bei der Wandaufteilung des Zimmers mit seiner Fliesenausstattung wurden nicht nur die beiden Türen, sondern auch die beiden jeweils flankierenden Fenster berücksichtigt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Porzellanzimmer bei den von Christian von Münch 1740 veranlassten Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen seine Fliesenausstattung erhalten hat. Die Fayencefliesen vermitteln in fantasievollen Bildern damalige Vorstellungen von China und dem Leben der Chinesen.

Fayencefliesen wurden in der Mitte des 18. Jahrhunderts ‚porcelaine plätgen‘ genannt und ersetzten in vielen Schlössern als Wandbekleidungen optisch echtes Porzellan.

Die blaue Bemalung der Fliesen auf weißer Zinnglasur sorgt für Kühle des Raumes. Sechs Fenster geben dem Raum viel Licht und die Decke im Stil des Rocaille unterstreicht die perfekt geplante und ausgeführte Leichte des Raumes.

Bauherr Christian von Münch liebte nicht nur die auf Fliesen dargestellten Chinoiserien, sondern ließ Maulbeerbäume pflanzen und begann mit der Zucht von Seidenraupen.

 

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Wandecke Nord - Ost

 

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Wandecke Ost - Süd

 

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Wandecke Süd - West

 

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Wandecke West - Nord

 

 

Sechsunddreißig Fliesenfelder

Alle Fliesenfelder sind in Stuckrahmen gefasst und verteilen sich auf I. Eingangswand, II. Wand gegenüber I., III. Gartenwand und IV. Wand gegenüber III.

In meiner Dokumentation ist jede Wand von links nach rechts beschrieben. Wenn die Fliesen keine Chinoiserien zeigen, werden die Darstellungen angegeben.

 

I. Eingangswand (Nordwand)

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Feld 1. Vedute mit Schloss Aystetten, 4 Fliesen hoch und 8 Fliesen breit.

 

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Feld 2. 12 Fliesen hoch und 2 Fliesen breit.

 

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Feld 3. 12 Fliesen hoch und 2 Fliesen breit.

 

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Feld 4. Landschaftsfliesen, 2 Fliesen hoch und 7 Fliesen breit.

 

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Feld 5. 2 x 2 Fliesen unter 2.

 

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Feld 6. 2 x 2 Fliesen unter 3.

 

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Feld 7. Landschaftsfliesen, 2 Fliesen hoch und 7 Fliesen breit.

 

 

II. Wand gegenüber I. (Südwand)

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Feld 8. Vedute mit Schloss Aystetten vorn rechts und Augsburg im Hintergrund, 4 Fliesen hoch und 8 Fliesen breit.

 

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Feld 9. 12 Fliesen hoch und 2 Fliesen breit.

 

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Feld 10. 12 Fliesen hoch und 2 Fliesen breit.

 

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Feld 11. 2 Fliesen hoch und 7 Fliesen breit

 

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Feld 12. 2 x 2 Fliesen unter 9.

 

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Feld 13. 2 x 2 Fliesen unter 10.

 

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Feld 14. 2 Fliesen hoch und 7 Fliesen breit.

 

 

III. Gartenwand (Ostwand)

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Leerer Raum über der Tür. Dort war früher auf Fliesen das Wappen derer von Münch angesetzt. Georg Wilhelm Schulz (1) sah 1929 im Schloss noch ganze und zerbrochene Fliesen von diesem Fliesentableau und notierte, dass diese Fliesen einen rötlichen Scherben hätten und nummeriert seien. 1977 teilte Siegfried Stahl (2) mit, dass von dem Tableau weder ganze Fliesen noch Bruchstücke im Schloss vorhanden wären.

 

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Feld 15. 12 Fliesen hoch und 3 Fliesen breit

 

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Feld 16. 12 Fliesen hoch und zwei Fliesen breit

 

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Feld 17. 12 Fliesen hoch und zwei Fliesen breit

 

 

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Feld 18.

 

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Feld 19.

 

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Feld 20. Im Sockelbereich zwischen 19 und 21.

 

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Feld 21.

 

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Feld 22.

 

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Feld 23.

 

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Feld 24.

 

 

IV. Wand gegenüber III. (Westwand)

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Auf jeder Seite von Spiegel und Kamin 3 Felder, jeweils 12 Fliesen hoch und 3 Fliesen breit (25-30), darunter je ein Feld von 2 x 3 Fliesen (31-36).

 

Im Kamin links und rechts je 3 x 6 Landschaftsfliesen.

 

Alle Fliesen sind ca. 140 x 140 mm groß, die Malereien in hellem Blau ausgeführt. Bemerkenswert ist, dass das Blau der Malerei auf Fliesen an Wand IV einen dunkleren Farbton aufweist.

 

 

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Feld 25.

 

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Feld 26.

 

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Feld 27.

 

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Feld 28.

 

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Feld 29.

 

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Feld 30.

 

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Feld 31.

 

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Feld 32.

 

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Feld 33.

 

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Feld 34.

 

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Feld 35.

 

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Feld 36.

 

Das Porzellanzimmer wurde zuletzt 1994/95 umfassend renoviert.

Bei diesen Restaurierungsarbeiten konnten Malerzeichen dokumentiert werden.

 

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Fliese im Format von ca. 140x140 mm.

 

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Ein anderes Malerzeichen!

 

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Ein drittes Malerzeichen.

 

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Ein viertes Malerzeichen.

 

* Sollten Sie eines dieser Malerzeichen kennen, so teilen Sie es mir bitte mit.

 

Frage nach der Fayencewerkstatt, in der die Fliesen hergestellt wurden.

Da schriftliche Quellen für die Fliesenausstattung des Porzellanzimmers fehlen, stellt sich die Frage, welche Fayencewerkstatt im Ries oder Bayerisch-Schwaben als Herstellungsort anzunehmen ist. Wenn man vom Datum 1740 für die Fertigstellung des Raumes ausgeht, so können Künersberg, gegründet 1745, Göggingen 1748 und Friedberg 1754 nicht in Frage kommen. Aus gleichem Grund kommen die Augsburger Fayencemanufakturen von Johann Caspar Schaur, Christian Georg Köpf und Josef Hackl nicht in Frage. Es spricht viel für Donauwörth als Produktionsort der Fliesen im Schloss von Aystetten.

Im Protokoll des Rates von Donauwörth vom 9. August 1740 ist verzeichnet, dass „Tobias Kern, gewester Porcellainfabricmeister in dem Ötting. Tiergarten zu Schrattenhofen“ anbot „feines Porcellain“ in Donauwörth herzustellen. Tobias Kern versprach, die Ware würde viel besser sein als die von Schrattenhofen, Nürnberg und Ansbach.

Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe besitzt einen Walzenkrug mit der Bezeichnung „Donauwörth, 1741 d. 29. July, Grebner“. Dass Grebner auch schon Fliesen bemalt hat, wäre denkbar, denn er hatte in Nürnberg (1717 bis 1731), Bayreuth (1731-1738) und Oettingen-Tiergarten (1738-1740) gearbeitet.

Die Notiz des Rates von Donauwörth und der Walzenkrug nennen uns zwei bekannte Namen, Kern und Grebner. Tobias Michael Kern war von 1735 bis 1740 Former und Brenner und Georg Friedrich Grebner von Oktober 1738 bis 1740 Maler in der Gräflich Oettingen-Wallersteinschen Manufaktur in Oettigen-Tiergarten.

Auf Bestellung des Grafen Johann Karl Friedrich zu Oettingen-Wallerstein wurden im Juli und August 1739 Fliesen für vier Räume im fürstlichen Schloss zu Hohenaltheim hergestellt. Die Fliesen fertigte der Hafner Heinrich Tobias Kern an, die von den Blaumalern Jakob Galland und Philipp Nikolaus Ripp nach Vorlagen, die ihnen der Bauinspektor Johann Georg Conradi lieferte, bemalt wurden. Die Fliesen zeigen Landschaften, Blumen, Vögel, Haustiere, Jagdszenen, Chinoiserien und Fabeltiere in Blaumalerei.

Im Sommer 1740 floh Kern von Oettingen nach Donauwörth. Er soll wegen eines zweiten begangenen Ehebruchs entwichen sein, unter Zurücklassung der Familie und der Schulden. Mit ihm ging der Maler Georg Friedrich Grebner. Sie wollten gemeinsam in Donauwörth eine neue Manufaktur betreiben. Kerns Ansuchen an den Donauwörther Rat und die kurfürstliche Hofkammer in München wurden positiv beschieden und die Arbeit in der Donauwörther Manufaktur aufgenommen. In der bayerischen Stadt Donauwörth trat Kern zum Katholizismus über. Der Hintergrund scheint jedoch weniger ein religiöser als vielmehr ein sehr weltlicher Beweggrund gewesen zu sein, „denn wann einer zu Donauwörth seine Religion changirt, der selbige nicht arretirt oder ausgeliefert werden dörffe".
Die Kern'sche Taktik jedenfalls war aufgegangen: Ein Auslieferungsgesuch aus Oettingen wurde vom Donauwörther Rat abgelehnt, statt dessen eine Aufstellung der Kern'schen Schulden (über 1600 fl) gefordert. Im Jahr 1741 tauchte Kern nochmals in Oettingen auf. Zur Regelung seiner privaten Angelegenheiten war ihm freies Geleit zugesichert worden.
Sein Bleiben in Donauwörth war von kurzer Dauer. Mit einigen anderen verließ er 1742 die Stadt, um nach Fulda zu gehen.

Zwischen 1740 und 1742 hat es in Donauwörth eine Fayenceproduktion gegeben. Es ist wenig über eine Fayencemanufaktur in Donauwörth bekannt. Man kann aber tüchtige Handwerker mit ihr in Verbindung bringen.

Mit allem Vorbehalt bringe ich die Fliesen im Porzellanzimmer im Schloss Aystetten mit einer Manufaktur in Donauwörth in Verbindung.

 

 

Literaturverzeichnis

Wikipedia

(1) Georg Wilhelm Schulz, Augsburger Chinesereien und ihre Verwendung in der Keramik, IV. Das Fayencezimmer des Schlosses Aystetten, in: Das Schwäbische Museum, Jahrgang 1928.

(2) Siegfried Stahl, Deutsche Fliesen, Braunschweig 1977

 

 

Bildnachweis

Wikipedia: 01

Elvira Kless, Dresden: 02-05, 07-13, 15-21, 23-32 und 34-45 (im Sommer 2017)

Eigene Zeichnungen: 06, 14, 22 und 33

 

 

Herrn Schlossherr Max von Stetten danke ich für die Fotografiererlaubnis.

Frau Elvira Kless und Herrn Klaus-Peter Dyroff danke ich für den Ortstermin in Schloss Aystetten und die Fotoaufnahmen.

Meinem Sohn Norbert danke ich für die Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.

 

 

Im Internet veröffentlichte ich

‚Fliesen aus der gräflich Oettingen-Wallersteinischen Fayencemanufaktur in Oettingen-Tiergarten‘

www.geschichte-der-fliese.de/oettingen.html