Amsterdamer Bibelfliesen an einem offenen Kamin (smuiger)
    in der Wohnung ‚Aan ‘t Glop‘ auf der Zaanse Schans



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Vorderhaus Aan ‘t Glop, Kalverringdijk 21, Zaandam

 

Vorderhaus

Dieser Gebäudeteil stammt von etwa 1630. Er wurde in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts von der Rozengracht 1 in Zaandam zur Zaanse Schans versetzt. Der Fassade aus vertikal angeordneten Bohlen sieht man das ehrwürdige Alter an. Tragende Eichenbalken aus der Zeit des ehemals in Zaandam florierenden Schiffsbaus hatten sich durch das Gewicht eines Ofens verzogen und waren angebrochen. Das Problem dieser verzogenen Tragbalken wurde durch Ersatz von Teilbereichen und zusätzlich durch geschmiedete Eisenklammern gelöst.

 

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Auf der 1. Etage direkt an der Zaan die sehr schöne ‚Zaankamer‘

 

Langhaus

Vom Vorderhaus erstreckt sich ein lang gestrecktes Gebäude bis an die Zaan Es ist ein sogenanntes ‚luchthuis‘. Der Bau ist etwa 16 Meter lang und 3,50 Meter breit. Er umfasst im Parterre Küche und Wohnraum mit offenem Kamin (smuiger), oben Dachkammern und am Ende, direkt über der Zaan, eine sogenannte ‚Zaankamer‘ mit Fenster zu drei Seiten. Das Langhaus ist die Rekonstruktion eines Hauses von der Norderhoofdstraat 92 in Krommenie und wurde in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts am Kalverringdijk auf der Zaanse Schans errichtet.

 

Wohnraum mit offenem Kamin (smuiger) in der Wohnung Aan ‘t Glop

Der smuiger ist ein Geschenk einer Familie Haremaker an die Stichting de Zaanse Schans.

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Ansicht des offenen Kamins von links

 

Der offene Kamin wird nicht mehr genutzt. Ein gusseiserner Ofen steht jetzt im Feuerraum.

 

Verwendung von Bibelfliesen

Bibelfliesen gehörten mit zu den teuersten Fliesen. Am offenen Kamin hatte gerade die Bibelfliese eine dekorative und auch didaktische Funktion. So wie Bilderbibeln dienten auch Bibelfliesen zum Kennenlernen der Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament.

 

,Smuiger'

Das Wort ,smuiger' lässt sich nicht übersetzen, deshalb halte ich mich in diesem Bericht an das niederländische Wort. Der ,smuiger' ist ein besonderer Kamintyp, der in Nord-Holland von der Zaanstreek (nördlich von Amsterdam) bis nach Westfriesland (Provinz Nord-Holland) vorkommt.

Die ursprüngliche Bezeichnung des Wortes .smuiger' bezog sich im 17. Jahrhundert pauschal auf die Feuerstelle. In der Zaanstreek ist dies auch die Bezeichnung für einen bestimmten Kamintyp, der um 1700 entstand. Der früheste Typ war eine Köcherkonstruktion aus Holz, die unter der großen Kaminkappe herausragte. Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts wurde diese Konstruktion gemauert und gefliest, und wieder etwas später ließ man die Kappe weg, so dass der köcherförmige Kanal, der Bosen oder Rauchfang, ganz zu sehen war. Aus konstruktiven Gründen musste sich die Rückwand oben nach vorne biegen, um Anschluss an den Querbalken des Schornsteinkanals auf der darüberliegenden Etage zu haben. Der Rauchfang ruht auf dem in der Mauer verankerten Boseneisen, das oft mit Messing umkleidet wurde. Es gibt .smuiger' mit und ohne Seitenstücke. Ein Seitenstück ist das Teil, das neben der Feuernische 1-2 Fliesen nach vorne gebaut und an der Oberseite mit einer Marmorplatte oder einem bemalten Holzbrett abgedeckt ist, das ,hoogje' genannt wird. Die ,smuigers' in der Zaanstreek sind in den meisten Fällen mit Bibelfliesen bekleidet.

 

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Ansicht des gewölbten Rauchfangs mit Schrägen und Seitenteilen von links

 

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Ansicht des offenen Kamins von rechts

 

Die Schränke links und rechts vom offenen Kamin sind antik. Sie stammen vom Abbruch des Hauses Meester Cornelispad 17.

 

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Ansicht des gewölbten Rauchfangs mit Schräge und Seitenteil von rechts

 

Anzahl der Fliesen am Kamin

Anzahl der Bibelfliesen

Rauchfang: Vorderansicht                         9 x 5    =   45 Fliesen

Rauchfang: Schräge links                                      =     9 Fliesen

Rauchfang: Schräge rechts                                    =     9 Fliesen

Rauchfang: Seite links                               8 + 7    =   15 Fliesen

Rauchfang: Seite rechts                             8 + 7    =   15 Fliesen

Wandteil links neben dem Rauchfang       11 x 3   =   33 Fliesen

Wandteil rechts neben dem Rauchfang     11 x 3   =   33 Fliesen

Linkes Feld neben dem Feuerraum             8 x 3   =   24 Fliesen

Rechtes Feld neben dem Feuerraum           8 x 3   =   24 Fliesen

Insgesamt                                                               = 207 Fliesen

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Anzahl der Fliesen in der Herdnische

Rückseite                                                  8 x 4      =   32 Fliesen

Linke Seite                                                8 x 2      =   16 Fliesen

Rechte Seite                                              8 x 2      =   16 Fliesen

Insgesamt                                                                =   64 Fliesen

                                                                              ==========

 

 

Detailaufnahmen

 

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Rauchfang, links oben

 

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Linke Seite des Rauchfangs, Reihen 2 und 3

 

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Vorderansicht des Rauchfangs mit Anschluss zur Deckenschräge

 

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Vorderansicht des Rauchfangs, untere Reihen 1-3

 

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Gewölbtes Wandteil, links neben dem Rauchfang, am Deckenanschluss

 

Unbedingt zu erwähnen ist die hervorragende handwerkliche Ausführung der Fliesenbekleidungen.

 

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Gerades Wandteil, links neben dem Rauchfang, dritte und vierte Reihe

 

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Gerades Wandteil, links neben dem Rauchfang, erste und zweite Reihe

 

Deutlich sind Rand- und Kantenbeschädigungen der in Zweitverwendung angesetzten Amsterdamer Bibelfliesen zu sehen.

 

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Gebogenes Wandteil, rechts neben dem Rauchfang, am Deckenanschluss.

 

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Übergang vom geraden zum gebogenen Wandteil rechts neben dem Rauchfang,

Reihen 8 und 9

 

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Seitenteil links neben dem Feuerraum, obere zwei von elf Reihen Fliesen

 

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Seitenteil rechts neben dem Feuerraum, obere zwei von elf Reihen Fliesen

 

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Seitenteil rechts neben dem Feuerraum, untere zwei von elf Reihen Fliesen

 

 

Bezeichnung der Bibelfliesen vom smuiger

 

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Historie met tekst in het vierkant met gestreepte lofrand 
(Jan Pluis, De Nederlandse Tegel Decors en benamingen, Leiden 2013, A.03.08.12).

Die Darstellung ist innerhalb schmaler, rechteckiger Rahmung gemalt.
Die Flächen zwischen blattartigen Motiven und C-Voluten sind gestreift.

 

 

Der Fliesenmaler

Die meisten der Bibelfliesen an diesem smuiger können anhand von Vergleichsmaterial dem Amsterdamer Hobbe Ottens (8. Dezember 1773 - 24. Oktober 1837) zugeschrieben werden. Markant sind vor allem seine Schreibweise von Buchstaben und Ziffern.

Als seine Wohnung ist der Suikerbakkersteeg im Zentrum vom Amsterdam dokumentiert. Gesichert ist auch, dass er als Fliesenmaler in der Fliesenwerkstatt De Twee Romeinen an der Prinsengracht, ca. 700 Meter von seiner Wohnung entfernt, arbeitete. Am 28 November 1808 wurde ein Inventar der Werkstatt De Twee Romeinen erstellt. In diesem Inventar wird Hobbe Ottens ‘meesterknecht‘ genannt.

 

 

Randfliesen

 

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Randfliesen der Art ‘Slingerdecor‘als Begrenzung der Wandfläche aus Bibelfliesen

 

Unter dem Oberbegriff ‘Slingerdecor‘ gibt es viele Unterarten. Am offenen Kamin der Wohnung Aan ‘t Glop in Zaandam gibt es mehrere Unterarten, doch sind es weitestgehend Randfliesen der Art ‘Cupidorand‘ 
(Jan Pluis, De Nederlandse Tegel Decors en benamingen, Leiden 2013, A. 14.06.15).

 

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Randfliesen begrenzen die Seitenfläche links neben dem Feuerraum

 

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Ablage des Schrankteils links neben dem offenen Kamin

 

Als Abschluss der Ablage und als Rahmung der Wandbekleidung mit uni weißen Fliesen gibt es Randfliesen in blauer Bemalung.

 

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Teilstück von einem ‘Cupidorand‘ als Ablage des Schrankteils links neben dem offenen Kamin

 

 

Herdnische

 

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Teil der Rückwand mit Seitenschräge aus Ornamentfliesen der Art ‘Servetster‘

(Jan Pluis, De Nederlandse Tegel Decors en benamingen, Leiden 2013, A.01.05.45)

 

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‘Servetster‘, mit aufwendiger indirekter und direkter Bemalung, Originalgröße von 13 x 13 cm  

Die Fliese mit einem Diagonaldekor hat drei Eckmotive. Das größte Eckmotiv bildet in der Herdnische das Zentralmotiv von jeweils vier Fliesen.

 

 

Anhang

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Ansicht und waagerechte Schnitte durch einen ‚smuiger‘

 

3  Feuerstelle / Rost des Aschenfalls
    (Vuurplaat / Rooster)

4  Kaminhaube (Boezem)

6  Ablage aus Holz oder Naturstein (Hoogje)

9   Schornsteinluke / Speckluke
    (Schoorsteenluik /Spekluik)
      - im Schornstein wurden Speck und
     Wurstwaren geräuchert -

 

 

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Senkrechter Schnitt durch einen ‚smuiger‘

1 Ringfundament (Fundering)

2 Ascheraum (Kuil ofF Kolkie)

5 tragendes Eisen (Boezemyzer)

7 Bogenelement (Kuif)

8 Dachpfannen (Dakpannen)

10 Ringeisen (Kropgootjes)

 

 

Bildnachweis

Bilder 1-25, Norbert und Wilhelm Joliet, 25. September 2016.

Ansicht und Schnitte von einem ‚smuiger‘ aus:
H. Janse, S. de Jong, Houten huizen, een unieke bouwwijze in Noord-Holland, Zaltbommel 1981 (5)

 

Dank sage ich Frau Sharon Brand für ihre Fotoerlaubnis, den Herren Jan Pluis und Jaap Jongstra für vielfältige Hilfe und meinem Sohn Norbert für die Bearbeitung und Veröffentlichung dieses Berichtes.

 

 

Heerlijck Slapen
http://www.zaanseschansbedenbreakfast.nl