Crailsheimer Fayencefliesen mit Motiven der 
Falkenjagd in Gunzenhausen im Altmühltal

Karl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach (1), genannt der wilde Markgraf, war von 1729 bis zu seinem Tode Landesherr des Fürstentums Ansbach. Er ließ durch den Architekten Leopoldo Retti (2) das Ansbacher Schloss umbauen und zwei Schlossbauten in Gunzenhausen (3) errichten.

 

 01

Der Markgraf als fürstlicher Schäfer oder Schnitter kostümiert.
Gemälde eines unbekannten Meisters im Fränkischen Museums in Feuchtwangen.

 

Seine besondere Liebe galt der Falkenjagd. Im Jahre 1749 wurde das „hochfürstliche Falkenhaus“ in Gunzenhausen erbaut und 1754 mit über 400 Fayencefliesen ausgestattet.

Der großen Leidenschaft des Fürsten sind 138 dieser Fliesen gewidmet, denn sie zeigen Szenen aus der Falknerei. Schon drei Jahre später starb Karl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach. Der hochgepriesene und im Volk beliebte Fürst und Falkner hinterließ seinem Land eine immense Schuldenlast. In preußischer Zeit kam das Gunzenhäuser Falkenhaus 1797 in Privatbesitz. Es wechselte noch mehrfach den Besitzer bis es 1974 in das Eigentum der Stadt Gunzenhausen überging. Nach einer gründlichen Sanierung wurde es 1984 "Haus des Gastes".

Auf Anregung des Historikers Adolf Lang (4) wurden 438 Fliesen zur Sicherung ausgebaut.
Die Fliesen waren im Obergeschoss des Jagdschlosses auf zwei Räume verteilt zu Gruppen zusammengefasst in Holz gerahmt unter den Fenstern zu finden.

Von Herrn Lang möchte ich den von ihm beschriebenen Zustand der Fliesenbekleidungen vor deren Ausbau übernehmen:

Hauptraum, westliche Hälfte:

I        4x4 Fliesen mit Gittermuster           = 16 Fliesen

II       6x4 Fliesen mit Gittermuster           = 24 Fliesen

III      6x3 Fliesen mit Falkenjagdthemen   = 18 Fliesen

IV     11x4 Fliesen mit Gittermuster           = 44 Fliesen

V        6x3 Fliesen mit Falkenjagdthemen   = 18 Fliesen

VI     11x4 Fliesen mit Gittermuster           = 44 Fliesen

VII      6x4 Fliesen mit Gittermuster          = 24 Fliesen

VIII     2x4 Fliesen mit Gittermuster          =  8 Fliesen  

Hauptraum, östliche Hälfte:

A        2x4 Fliesen mit Gittermuster           =   8 Fliesen

B        6x4 Fliesen mit Gittermuster           = 24 Fliesen

C      11x4 Fliesen mit Gittermuster           = 44 Fliesen

D        6x3 Fliesen mit Falkenjagdthemen   = 18 Fliesen

E       10x4 Fliesen mit Gittermuster           = 40 Fliesen

F         6x4 Fliesen mit Falkenjagdthemen   = 24 Fliesen

G        3x4 Fliesen mit Gittermuster           = 12 Fliesen

H        3x4 Fliesen mit Gittermuster           = 12 Fliesen

I         6x4 Fliesen mit Falkenjagdthemen   = 24 Fliesen

 

Nebenraum

K         6x3 Fliesen mit Falkenjagdthemen   = 18 Fliesen

L         6x3 Fliesen mit Falkenjagdthemen   = 18 Fliesen

 

Dies ergibt insgesamt 438 Fliesen; davon 300 Fliesen mit Gittermuster und 138 Fliesen mit Falkenjagdthemen. Die Größe der Fliesen mit Falkenjagdthemen schwankt zwischen 168x168 mm bis zu 180x180 mm, die mit Gittermuster zwischen 130x130 mm bis zu 132x132 mm. 
Im Allgemeinen wurden die Fliesen manganfarben bemalt, doch gibt es auch einige in der Kombination kobaltblau und manganfarben.

 

1992 konnte ich mit Genehmigung der Leitung des Stadtmuseums Gunzenhausen Fliesen mit Szenen der Falkenjagd in die Hand nehmen, überprüfen und fotografieren. Dies alles erfolgte im Vergleich zu den niederländischen Fliesen mit Szenen der Falkenjagd aus dem Jagdschloss Falkenlust in Brühl.

 

 02

Falkenjunge mit elf Falken auf der Trage (Cage)

 

Dem Fliesenmaler diente ein 1752 vom „Kammermaler“ Christoph Anton Hirsch (5) signiertes und datiertes Gemälde als Vorlage (Abb. 03).

 03

Falkenjunge mit elf Falken auf der Trage (Cage)
Öl auf Leinwand, 85 x 69 cm. Das Gemälde ist von Christoph Anton Hirsch signiert und mit 1752 datiert. (Markgrafen-Museum Ansbach)

 

 04

Aufgehaubter Falke (siehe Abb.05)

 

 05

Aufgehaubter Falke (siehe Abb. 04)

 

Von mehreren Motiven gibt es jeweils spiegelbildliche Darstellungen.

 

 06

Falkonier zu Pferd (siehe Abb. 07)

 

 07

Falkonier zu Pferd (siehe Abb. 06)

 

Eine von anderer Hand gemalte Fliese in der besonderen Kombination des Einsatzes von 
Mangan- und Kobaltoxid für die Malfarben.

 

 08

Vier Falken in der Luft

 

 09

Drei Falken greifen einen Reiher an

 

 10

Ein Falke drückt einen Reiher zu Boden

 

 11

Falke mit geschlagenem Vogel

 

 12

Zwei Falken mit geschlagenem Vogel

 

 13

Falke, Falkonier und Pferd
Auffallend ist der sorglose Umgang des Malers mit Größenverhältnissen.

 

 14

Falke auf geschlagenem Rebhuhn und Jagdhund

 

 15

Falke macht Jagd auf zwei Wildenten

 

 16

Falke auf Hasenjagd (siehe Abb. 17)

 

 17

Falke setzt zum Schlag auf einen Hasen an (siehe Abb. 16)

 

 18

Falke mit geschlagenem Hase und Hund

 

 19

Eine von 300 Fliesen mit Gittermuster in Manganmalerei im Format von 132 x 132 x 8 mm

 

 

Anmerkungen

(1) Karl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach (* 12. Mai 1712 in Ansbach; † 3. August 1757 in Gunzenhausen), genannt der Wilde Markgraf, war von 1729 bis zu seinem Tode Landesherr des Fürstentums Ansbach. Karl Wilhelm Friedrich war ein typischer absolutistischer Fürst, der ein prunkvolles Hofleben pflegte: Seine besondere Liebe galt der Falkenjagd. 1730 beauftragte er seinen Obristbaumeister Carl Friedrich von Zocha mit dem Bau eines Falken- und Reiherhauses in Triesdorf. Zocha wurde später wegen Differenzen durch Leopoldo Retti ersetzt. Nach einer Aufstellung vom 14. Juni 1748 besaß Karl Wilhelm Friedrich den größten Falkenhof Europas, zwischen Johanni 1730 und Juni 1748 gab er mehr als eine halbe Million Gulden für dieses Hobby aus. (Wikipedia)

(2) Leopoldo Mattia Retti (auch bekannt als Leopold Retty) (* 1704 in Laino, Lombardei; † 18. September 1751 in Stuttgart) war ein italienischer Architekt, der in Süddeutschland tätig war.
Im Jahre 1731 erhielt Retti den Ruf nach Ansbach, wo er zum Capitain ernannt und zum Vorbild vieler italienischer Künstler, wie zum Beispiel der Gebrüder Diego und Carlo Carlone, wurde. Als Leopoldos Vorgänger Carl Friedrich von Zocha abtrat, wurde er 1732 zum markgräflichen Obristbaudirektor ernannt. 1741 erhielt er den Rang eines Artillerie-Majors. (Wikipedia)

(3) Gunzenhausen ist eine Stadt im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Mittelfranken und liegt am Altmühlsee. Den historischen Marktplatz prägen bedeutende Barockbauten, die in der Regierungszeit des Wilden Markgrafen entweder entstanden oder ihr heutiges Aussehen erhielten: Das heutige Rathaus (seit 1974 in dieser Funktion), ein ursprünglich im 16. Jahrhundert aus zwei separaten Gebäuden zusammengefügter Komplex, war seine Residenz, in der er 1757 starb. Aus derselben Ära stammen die Stadtvogtei (1749/50 errichtet), das ehemalige Amtshaus am Marktplatz (1726, seit 1805 Stadtapotheke), das Palais Heydenab (Wohnsitz eines markgräflichen Oberamtmanns, heute eine Bank) sowie das Zocha-Palais (heute Stadtmuseum). Das ehemalige Jagdschloss des Wilden Markgrafen (1749) mit großzügig angelegtem Hofgarten und historischem Baumbestand befindet sich oberhalb des Stadtkerns und wird seit 1982 als "Haus des Gastes" für diverse Veranstaltungen genutzt.

(4) Adolf Lang, Ansbacher Abiturient, von 1960 bis 1962 wissenschaftliche Hilfskraft am Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Erlangen, war 1963 nach Ansbach zurückgekehrt, wo er der erste hauptamtliche Leiter des Stadtarchivs und des (damaligen) Kreis- und Stadtmuseums wurde. Im Nebenfach zur Musikwissenschaft hatte er Kunstgeschichte sowie romanische Philologie studiert und vereinte musikgeschichtliche, kunsthistorische und landeskundliche Kenntnisse. 1964 hatte er auch das Amt des Stadtheimatpflegers übernommen.
1987 verließ Adolf Lang Ansbach, um in Kassel als Bildungsreferent des Bundesministeriums für Frauen und Jugend die Leitung des Internationalen Arbeitskreises für Musik zu übernehmen.

Auf Anregung des Historikers Adolf Lang wurden aus dem ehemaligen Jagdschloss in Gunzenhausen 438 Fliesen zur Sicherung ausgebaut. Die Fliesen waren im Obergeschoss auf zwei Räume verteilt zu Gruppen zusammengefasst in Holz gerahmt unter den Fenstern zu finden. Sie kamen sorgfältig gesäubert und dokumentiert ins Stadtmuseum Gunzenhausen.

Adolf Lang veröffentlichte 1979 seine Forschungsergebnisse unter dem Titel „Falkenjagd in Gunzenhausen – Fayencefliesen aus der Zeit des Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach“. (Kunstverein Gunzenhausen)

(5) Christoph Anton Hirsch (1707–1760). Der nur verhältnismäßig kurze Zeit für den Ansbacher Hof tätige Maler Hirsch schuf mehrere Falkenporträts für den Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich. Vermutlich wollte der Markgraf eine Porträtsammlung seiner besten Falken anlegen. Zwei Stücke sind erhalten, neben "Louise", einem Geschenk wohl König Friedrichs V. von Dänemark (1723 bis 1766), der Falke "Berliner", den der Markgraf am 23. Dezember 1731 von seinem Schwiegervater König Friedrich Wilhelm I. zum Geschenk erhalten hatte. Markgraf Carl Wilhelm Friedrich liebte die Beizjagd nicht nur als sportliches Vergnügen, sondern bezog sie auch in seine Welt ein. Seine Schlossbauten, vor allem die Residenz Ansbach, ließ er mit Gemälden, Schnitzwerken, Fliesen und anderen Kunstgegenständen ausschmücken, die diesem Thema gewidmet waren.

Auch die markgräfliche Fayencemanufaktur trug mit einigen Stücken der "Grünen Familie" zum Ruhm der Beizjagd bei. Unter der Ägide des Markgrafen entwickelte sich sogar eine eigene Falkenliteratur. (Wikipedia)

 

 

Literatur

Hermann Gretsch. Die Fayencefabrik in Crailsheim, Stuttgart 1928

Konrad Hüseler. Deutsche Fayencen, Stuttgart 1956, Band 1

Adolf Bayer. Die Ansbacher Fayencefabriken. 2. Auflage, Braunschweig 1959

Siegfried Ducret. Keramik und Graphik, Braunschweig 1973

Adalbert Klein. Deutsche Fayencen, Braunschweig 1975

Siegfried Stahl. Deutsche Fliesen, Fayencefliesen des 18. Jahrhunderts, Braunschweig 1977

Adolf Lang. Falkenjagd in Gunzenhausen, Vereinigte Sparkassen Gunzenhausen 1979

Wilfried Hansmann - Wilhelm Joliet. Viel Tausend Vergnügen mit Falken und Reihern, Brühl 2004

 

 

Stadtmuseum Gunzenhausen

 

Markgrafen-Museum Ansbach