WILLEM VAN DER KLOET
UND DAS FLIESENGEMÄLDE EINER HIRSCHJAGD

 

Der Weg des Fliesengemäldes

In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde in den Niederlanden ein großes, von Willem van der Kloet (1) in der Amsterdamer Werkstatt ,De Twee Romeinen’ gemaltes, Fliesentableau bekannt. Es besteht aus 13 x 45 = 585 Fliesen und hat die außergewöhnlichen Maße von 1,72 x 5,94 m.

Dieses Fliesengemälde zierte von 1707 an eine Innenwand des Palácio Galvão Mexia (2) in der Rua dos Mauros in Lissabon, bis dieser Stadtpalast 1899 abgerissen wurde. Hinweise auf den Palast und die Fliesenarbeiten findet man bei Francisco Marques de Sousa Viterbo in seinem Handbuch "Notícias de Alguns Pintores" (Lisboa 1903). Er schrieb unter anderem darin, dass die Fliesengemälde aus dem Palácio Galvão Mexia vor dem Abriss ausgebaut wurden, am 10. Juli 1899 in eine Versteigerung kamen, aber keinen Käufer fanden.

Das Fliesengemälde der Hirschjagd und weitere Tableaus aus dem Palácio Galvão Mexia verließen auf ungeklärte Weise zu einem mir unbekannten Zeitpunkt Portugal und tauchten nach 1945 in einer Benediktinerabtei in Wisques (bei Saint-Omer) auf. Die Fliesenforscher Kees Boschma, Pieter Jan Tichelaar, Jan Pluis und Rainer Marggraf versuchten den Weg der Tableaus nachzuvollziehen. Sie kamen zu folgendem Ergebnis:
In Kisten verpackte Fliesen wurden in den fünfziger Jahren von den Mönchen der Benediktinerabtei in Wisques für einen geringen Betrag an den Antiquar Deene nach Gent verkauft. Das Fliesengemälde der Hirschjagd kam zu einem unbekannten Zeitpunkt in die Sammlung des Amsterdamer Antiquars B. Stodel, von dem es 1960 M. Keezer, Antiquar aus Wassenaar, erwarb. Als Keezer das Tableau kaufte, war es provisorisch restauriert. Er unternahm weitere Veränderungen. Die ,Stichting Tichelaars Historisch Bezit’ aus Makkum in Friesland kaufte das ungewöhnlich große Tableau im Jahr 1981. Nach umfassender Restaurierung verkaufte sie es 1991 dem ,Amsterdams Historisch Museum’ (3).

 

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Das Fliesengemälde fand seinen Platz im Restaurant des Museums, wo es von vielen tausend Menschen bewundert werden konnte.

Als das Museumsrestaurant 2010 umgebaut wurde, kam das Tableau vom Amsterdams Historisch Museum ins Keramikmuseum Princessehof (4) nach Leeuwarden in Friesland.

 

 

Erste Erwähnung des Tableaus in einer Publikation

Als M. Keezer aus Wassenaar das Tableau um 1960 von B. Stodel aus Amsterdam kaufte, war es provisorisch restauriert. In diesem Zustand wurde es 1964 in dem Buch "Fliese. Eine Geschichte der Wand- und Bodenfliesen" abgebildet.

Das von Anne Berendsen, Marcel B. Keezer, Sigurd Schoubye, João Miguel dos Santos Simões und Jan Tichelaar geschriebene Buch erschien in den Niederlanden, in England und in Deutschland.

 

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Linke Hälfte des Tableaus (Abbildung in "Fliese. Eine Geschichte der Wand- und Bodenfliesen")

 

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Rechte Hälfte des Tableaus (Abbildung in "Fliese. Eine Geschichte der Wand- und Bodenfliesen")

 

Von den Autoren des 1964 veröffentlichten Buches "Fliese. Eine Geschichte der Wand- und Bodenfliesen" wurde die Hirschjagd dem Rotterdamer Fliesenmaler Cornelis Boumeester zugeschrieben. Von niederländischen und deutschen Experten konnte diese Zuschreibung durch umfangreiche Recherchen in den Niederlanden, in England und Portugal widerlegt und das Tableau nun dem Amsterdamer Willem van der Kloet zugeschrieben werden.

 

 

Die Restaurierung des Tableaus

Marcel B. Keezer, Antiquar aus Wassenaar, hatte das Tableau von 1960 bis 1981 in Besitz. Nach Ankauf des Fliesengemäldes durch die ,Stichting Tichelaars Historisch Bezit’ im Jahr 1981 kam es zur gründlichen und umfassenden Restaurierung in die Werkstatt von ,Tichelaars Koninklijke Makkumer Aardewerk- en Tegelfabriek’ in Makkum (5).

Bei der Feststellung des Erhaltungszustandes wurde festgestellt, dass von den 585 Fliesen des Gemäldes 76 fehlten, beinahe 100 schwer und mehr als 220 leicht beschädigt waren. Alle alten Restaurierungen wurden rückgängig gemacht.

 

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Fehlende und beschädigte Fliesen im linken Teil des Tableaus.
Gerissene Fliesen sind auf dem Foto nicht gekennzeichnet.

Im Gemälde des Willem van der Kloet fehlten, wie in der rechten unteren Ecke von Bild 04 zu sehen, 
27 Originalfliesen an exponierter Stelle.

Es ist bekannt, dass niederländische Fliesenmaler grafische Vorlagen für ihre Gemälde benutzten. Deshalb war es für die Ergänzung fehlender Bereiche wichtig entsprechende Druckgrafiken zu finden.
Dies gelang niederländischen Fliesenforschern im British Museum in London mit den Kupferstichen
‚Hirsch Jagd’ und ‚Dritte Art der Hirsch Jagd’ (6) des Antonio Tempesta (7).

 

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Ein berittener Jäger wirft die Lanze auf den von Hunden gehetzten Hirsch.

 

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Ein berittener Jäger ersticht den von Hunden gestellten Hirsch.

 

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Restaurator Giovanni Antonio Andriol (8), Mitarbeiter von ,Tichelaars Koninklijke Makkumer Aardewerk-
en Tegelfabriek’ in Makkum, bei der Arbeit.

 

 

 

Dokumentation des restaurierten Fliesengemäldes

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Die Abbildung zeigt den linken Teil des Fliesengemäldes in voller Höhe von 13 Fliesen und
einer Breite von 13 / 45 Fliesen.

Markant ist die integrierte blaue Rahmung.

 

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Detail der Abbildung 08.

Baumrinde und Blattwerk zeigen im Detail die typische Malweise der Amsterdamer Werkstatt 
‚De Twee Romeinen’ des Willem van der Kloet.

 

 

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Detail der Abbildung 08

   

 

 

 

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Ein berittener Jäger wirft die Lanze auf den von Hunden gehetzten Hirsch. Im Hintergrund erkennt man weitere Berittene bei der Hirschjagd.

 

Der Bereich der Darstellung des von Hunden gehetzten Hirsches wurde vom Restaurator nach der grafischen Vorlage - Abbildung 05 – gemalt.

Inwieweit dieser Bereich der ursprünglichen Fassung entspricht, ist nicht mehr feststellbar. Restaurieren ist und bleibt immer ein bischen Verfälschung.

 

 

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Zweites Viertel des Tableaus. Im Vordergrund erwarten Jagdgehilfen den Hirsch.

 

 

 

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Die Abbildung zeigt den dritten Teil des Fliesengemäldes in voller Höhe von 13 Fliesen und einer Breite von 13 / 45 Fliesen.

 

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Detail der Abbildung 13.

 

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Detail der Abbildung 13.

   

 

 

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Die Abbildung zeigt den rechten Teil des Fliesengemäldes in voller Höhe von 13 Fliesen und
einer Breite von 10 / 45 Fliesen.

 

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Detail der Abbildung 16.

 

 

 

Vergleich von Fliesengemälde und grafischen Vorlagen

  

18                                                                                19

   

20                                                                     21

 

 

 

Weiterverwendung des Motivs der Hirschjagd

Für mein Buch ‚Die Geschichte der Fliese’ (9) wählte ich 1996 das Motiv der von Willem van der Kloet gemalten Hirschjagd als Schutzumschlag.

 

Anmerkungen

(1) Willem van der Kloet (1666-1747) war das dritte von sieben Kinder der Eheleute Willem Cornelisz. van der Kloet und Celetje Os. Alle Söhne außer dem als Kind gestorbenen Jan (gestorben 1689) folgten ihrem Vater im Beruf des ‚tegelbakker’, Willem (1666-1747), Cornelis (1672-1733) und Bartholomeus (geboren 1675). Auch zwei Töchter blieben in diesem Berufsmilieu der Fliesenbrenner. Trijntje (geboren 1664) heiratete 1683 einen Berufskollegen und die jüngste Tochter Maria (1678-1761) arbeitete über lange Jahre in der Werkstatt ‚De Twee Romeinen aan de Prinsengracht’. Nur Johanna (geboren 1669) heirate einen berufsfremden Mann.

Willem van der Kloet arbeitete, schon lange bevor er diesen erbte, im elterlichen Betrieb. Im Alter von zweiundzwanzig Jahren war er schon Mitglied in der angesehenen Amsterdamer St. Lucas Gilde. 1694 übernahm Willem van der Kloet die Leitung der Werkstatt. Drei Jahre nachdem er Eigentümer der Werkstatt ‚De Twee Romeinen’ geworden war, heiratete er 1697 Maria de Jongh, eine gut situierte Witwe, die zwei junge Töchter mit in die Ehe brachte. Dem Ehepaar wurden mehrere Kinder geboren, doch starben bis auf Maria (geboren 1706) alle im Kindesalter.

Die Lage der Werkstatt ‚De Twee Romeinen` am äußersten Rand der Stadt Amsterdam war äußerst günstig, denn sie hatte ausreichenden Abstand zu Wohngebieten, konnte über Kanäle Grundstoffe, Halbfabrikate und Erzeugnisse günstig transportieren. Es bestand auch ein gutes Wegenetz für den Transport mit Pferd und Wagen.

Willem van der Kloet profitierte vom raschen Aufschwung und der Ausbreitung der Stadt. Amsterdam zog damals viele Immigranten an. Die Weltoffenheit der Stadt verhalf den Fliesen produzierenden Werkstätten auch zu Kunden in Portugal.

Willem van der Kloet lieferte Fliesengemälde nach Portugal, für die Kirche Madre de Deus (nach dem Tod des Jan van Oort), 1707 für den Palácio Galvão Mexia und 1707-1709 für die Kirche Nossa Senhora de Nazaré.

(2)  In einem Artikel der Zeitschrift Diário de Notícias vom 11 Juli 1894 beschrieb der Kunsthistoriker Francisco Marques de Sousa Viterbo im Artikel ‚Azulejos Preciosos’ die Fliesenarbeiten im Palácio Galvão Mexia wie folgt: „ Im Treppenhaus und einigen Sälen findet man sehr schöne Fliesengemälde in blauer Bemalung auf weißem Grund. Es sind interessante und sorgfältig gemalte Szenen. Die Wandbekleidungen im Treppenhaus zeigen spielende Kinder, die in den Sälen Tanz-, Musik- und häusliche Szenen. Aber die schönsten sind in der Hauskapelle zu bewundern. Es sind Szenen aus dem Leben Jesu. Es scheint mir, dass sie alle aus gleicher Werkstatt und aus gleicher künstlerischer Quelle stammen, denn bei den Fliesengemälden der Kapelle findet man die Signatur ‚Willem van der Kloet fec.’ Es war wohl ein Holländer oder Flame.“ Einen weiteren Hinweis auf die Fliesengemälde aus dem Palácio Galvão Mexia findet man bei Vergilio Correia "Azulejadores e Pintores de Azulejos em Lisboa in Aguia"  N° 77-78, 1918.

(3)  Amsterdams Historisch Museum, Kalverstraat 92, Amsterdam
wikipedia.org/wiki/Amsterdam_Museum

(4)  Keramiekmuseum Princessehof, Grote Kerkstraat 9-15, Leeuwarden
www.princessehof.nl

(5) Tichelaars Koninklijke Makkumer Aardewerk- en Tegelfabriek, Turfmarkt 65, Makkum, www.tichelaar.nl

(6) Die beiden Stiche stammen aus Icones Venantum Species Varias Representantes, Adumbratione Nova recens inventae, per Antonium Tempestinum. Egbert Ians sculp., Heidelberg 1663. Beide Stiche haben die Maße 93 x 124 mm

(7) Antonio Tempesta (* ca. 1555 in Florenz; † 5. August 1630 in Rom) war ein italienischer Maler, Zeichner und Radierer. www.wikipedia.org/wiki/Antonio_Tempesta

(8) Giovanni Antonio Andriol (geboren am 31.05.1957 in Sneek, gestorben am 30.12.2006 in Welsrijp) Er arbeitete bis Ende Juli 1992 bei tichelaars koninklijke makkumer aardewerk- en tegelfabriek b.v.
Vom 01.08.1992 bis zu seinem Tod war er Mitarbeiter der Harlinger Aardewerk- en Tegelfabriek.

(9) Wilhelm Joliet, Die Geschichte der Fliese, (Köln 1996)
Fachverband des Deutschen Fliesengewerbes im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. (Hrsg.)

 

 

Benutzte Literatur

J.M. dos Santos Simões: Carreaux céramiques Hollandais au Portugal et en Espagne (La Haye 1959)

‘Willem van der Kloet en het tableau met een hertejacht’ in: Vormen uit Vuur. Mededelingenblad Nederlandse vereniging van vrienden van ceramiek en glas (1992/1)

Tichelaar Makkum: ‘Willem van der Kloet en het tableau met een hertejacht’ (Makkum 1992)

Museu Nacional do Azulejo: ’Os azulejos de van der Kloet em Portugal – Van der Kloet tiles in Portugal’ (Lisboa 1994)

Wikipedia

 

 

Bildnachweis

Fotoarchiv Pieter Jan Tichelaar, Makkum

Bildbearbeitungen des Verfassers

 

 

Links in Sachen ‚WILLEM VAN DER KLOET’  

Mythologische Darstellungen auf Amsterdamer Fliesentableaus

www.geschichte-der-fliese.de/klomy.html

 

ZWEI FLIESENGEMÄLDE DES WILLEM VAN DER KLOET IM MUSEUM NOGUEIRA DA SILVA IN BRAGA

OS AZULEJOS DE WILLEM VAN DER KLOET EM BRAGA

WILLEM VAN DER KLOET TILE PICTURES IN BRAGA

www.geschichte-der-fliese.de/klobra.html

 

ZWEI GROSSFORMATIGE FLIESENGEMÄLDE AUS DER AMSTERDAMER WERKSTATT DES WILLEM VAN DER KLOET

www.geschichte-der-fliese.de/kloe.html

 

ACHT FLIESENGEMÄLDE MIT SZENEN AUS DEM LEBEN JESU DER AMSTERDAMER WERKSTATT DES WILLEM VAN DER KLOET

www.geschichte-der-fliese.de/kloet.html

 

FLIESENGEMÄLDE DES WILLEM VAN DER KLOET AUS AMSTERDAM IN DER KIRCHE NOSSA SENHORA DA NAZARÉ / PORTUGAL

TEGELTABLEAUS VAN WILLEM VAN DER KLOET UIT AMSTERDAM IN DE KERK NOSSA SENHORA IN NAZARÉ / PORTUGAL

TILE PANELS MADE IN AMSTERDAM BY WILLEM VAN DER KLOET IN THE CHURCH OF NOSSA SENHORA DA NAZARÉ / PORTUGAL

IGREJA ET SANTUÁRIO DE NOSSA SENHORA DA NAZARÉ OS AZULEJOS DE WILLEM VAN DER KLOET

www.geschichte-der-fliese.de/nossa_senhora.html