Einflüsse der
Chinamode auf die
Dekoration der Küche in der Amalienburg
Grundriss der Küche
01
Diese Zeichnung
fertigte nach meinen Angaben Herr Josef Krämer, Architekt aus Königswinter
02
Detail des Fliesengemäldes - im Bereich 17 -
an der Südwand
Die Anfänge der Chinamode
Der venezianische Kaufmann Marco Polo 1
berichtete nach der Rückkehr von seiner Chinareise (1271-1295) vom
chinesischen Reich und rückte es in den Mittelpunkt des Interesses
in Europa. Vor diesem Hintergrund begann sich der Handel mit China
über Karawanenwege zu entwickeln. Reisende berichteten von einem
Land des ewigen Frühlings, von Gärten mit seltsamen Pflanzen und
Menschen in einer hoch entwickelten Kultur.
Der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama 2
entdeckte 1498 den Seeweg nach Indien. Portugiesen gründeten eine
erste Handelsniederlassung in Macao und verkauften ihre Waren auf
asiatischen Märkten. Auf ihren Rückreisen brachten sie hauptsächlich
Seidenstoffe, Gewürze und chinesisches Porzellan mit nach Portugal.
Holländische Seeleute übernahmen nach 1588, der
Niederlage der spanischen Armada, mehr und mehr den Handel mit
Ostasien. Sie gründeten 1602 die Ost-Indische Handelskompanie. Im
gleichen Jahr gelang es ihnen, ein portugiesisches Handelsschiff zu
kapern. Zur Ladung gehörte auch Porzellan aus China. 1604 gelang es
ihnen nochmals ein portugiesisches Frachtschiff zu kapern. Dieses
Schiff hatte in der Hauptsache Porzellan geladen, das auf einer
Auktion in Amsterdam verkauft wurde. Es soll sich um ca. 100.000 Stücke
gehandelt haben. Zu den Käufern gehörte vor allem der europäische
Hochadel, darunter König Heinrich IV. von Frankreich und König
James I. von England. Nach dieser Auktion stieg die Nachfrage nach
chinesischem Porzellan sprunghaft. Wer etwas auf sich hielt,
sammelte chinesisches Porzellan und stellte es in eigens
eingerichteten Porzellankabinetten zur Schau. Das Zeitalter der
Chinamode war endgültig angebrochen.
Fieberhaft wurde nach einem Rezept zur Herstellung
von Porzellan gesucht, was aber erst 1709 Johann Friedrich Böttger 3
in Dresden gelang.
Da im 17. Jahrhundert die Herstellung von Porzellan
in Europa noch unmöglich war, wurde es in Farbe und Dekor durch
Fayencen nachgeahmt. So wurden Fayencefliesen >porcellaine plättgen<
genannt.
Einfluss der Chinamode auf die Parkburgen im
Nymphenburger Schlosspark
Kurfürst Max Emanuel 4
ließ im Nymphenburger Schlosspark unter Leitung des Hofbaumeisters
Joseph Effner 5 die
Pagodenburg (1716-1719) und die Badenburg (1718-1721) errichten.
Weist schon die Bezeichnung „Pagodenburg“ auf die
Chinamode hin, so findet diese in den Innendekorationen von
Pagodenburg und Badenburg durch Lackkabinette, blau-weiße Malereien
mit chinesischen Motiven und vor allem mit einer großzügigen
Verwendung der >porcellaine plättgen< ihre schönsten
Beispiele.
Kurfürst Karl Albrecht 6,
Sohn des Kurfürsten Max Emanuel, ließ nach Plänen von François
Cuvilliés d.Ä. 7 von
1734 bis 1739 die Amalienburg als Jagdschlösschen für die
Fasanenjagd erbauen. In ihr findet sich eine von der Chinamode
beeinflusste Dekoration in Vollendung.
Die Küche der Amalienburg als einzigartiges Beispiel
des Einflusses der Chinamode auf die Raumdekoration
Blau-weiße Chinoiseriemalereien findet man auf
Holzvertäfelungen der unteren Wandzonen, auf Türen und Fensterläden
und an der Decke.
Am abgehängten Wandteil 8 der Kaminwand sieht man - in den Bereichen 28 und 34 -
jeweils mehrfarbige Fliesengemälde mit exotischen Motiven im Format
13 x 3 Fliesen und an der Südwand - im Bereich 17 - ein
mehrfarbiges Fliesengemälde mit exotischen Motiven im Format 12 x 7
Fliesen.
Beispiele von Chinoiseriemalereien auf Holzvertäfelungen
unterer Wandzonen, auf Türen und Fensterläden
03
Blick in die
Nordostecke (3-29) der Küche
04
Blickrichtung
Ostwand
Holzvertäfelungen
29 und 33 an den die abgehängte Kaminwand tragenden Pfeilern
05
Chinoiseriemalereien
auf Holzvertäfelungen in den Bereichen 33-13 und auf der Tür B
06
Beispiel einer
Fensterlade mit Chinoiseriemalerei
Mehrfarbige Fliesengemälde mit exotischen Motiven
07
Gemälde im Format
13x3 Fliesen mit exotischen Motiven an der Kaminwand im Bereich 28
08
Gemälde im Format
13x3 Fliesen mit exotischen Motiven an der Kaminwand im Bereich 34
09
Detail von Bild 08
oben
10
Detail von Bild 08
unten
11
Mehrfarbiges
Fliesengemälde mit exotischen Motiven im Format 12 x 7 Fliesen
an der Südwand im
Bereich 16
12
Fliesengemälde mit
exotischen Motiven im Format 12 x 7 Fliesen an der Südwand im
Bereich 16,
umrahmt von 42
Bibelfliesen mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament.
Auf den Bilder 07, 08 und 12 sieht man sehr deutlich,
dass Fliesen fehlerhaft angeordnet wurden. Ich gehe, wie bei meiner
Veröffentlichung der drei mehrfarbigen Blumenvasentableaus 9
an der Kaminwand der Küche davon aus, dass die Fliesen aus
der Münchener Residenz stammen und in der Amalienburg zumindest in
Zweitverwendung angesetzt wurden.10
Vom Fliesengemälde (Bild 12) ist eine Fliese in der
oberen linken Ecke besonders interessant. Auf ihr wurde die
buddhistische Gottheit Bodhisattva Guanyin dargestellt.
In der oberen rechten Ecke des Fliesengemäldes
findet man die zugehörigen Fliesen mit einer Dienerin und einem
Diener der buddhistischen Gottheit.
Rekonstruktionsversuche
Frau Dr. Ulrika Kiby veröffentlichte
Rekonstruktionsversuche der Schlösserverwaltung München in SW und
eigene in Farbe in ihrem Bericht ‚Die Küche der Amalienburg im
Schlossgarten von Nymphenburg zu München’ in KERAMOS, Heft 108,
April 1985 auf den Seiten 41-45. Die Bilder 14 und 16 zeigen
Rekonstruktionen nach Vorstellungen der Schlösserverwaltung München.
13
14
Fliesengemälde im Bereich 28 Rekonstruktionsversuch
der Schlösserverwaltung München
15
16
Fliesengemälde
im Bereich 34 Rekonstruktionsversuch der Schlösserverwaltung München
17
18
Fliesengemälde an der Südwand im
Bereich 16 Mein Rekonstruktionsversuch
Aus dem Puzzle des Fliesengemäldes an der Südwand
versuchte ich eine bildliche Rekonstruktion. Das Ergebnis zeigt Bild
18. Mein Rekonstruktionsversuch ergab, dass mindestens 20 Fliesen
nicht vom ursprünglichen Bild stammen.
Das Fliesengemälde
an der Südwand der Küche mit vergleichbaren Gemälden im
Rijksmuseum Amsterdam und in den Königlichen Museen Brüssel
19
20
Amalienburg
Rijksmuseum Amsterdam
21
Königliche Museen
Brüssel
Fliesengemälde im Rijksmuseum Amsterdam
Das Rijksmuseum Amsterdam besitzt ein Gemälde
(BK-NM-12400-443) von 13 x 6 = 78 Fliesen mit exotischen
Darstellungen, das dem Fliesengemälde in der Amalienburg sehr ähnlich
ist. Es blieb glücklicherweise vollständig erhalten.
22
Fliesengemälde
im Rijksmuseum Amsterdam
23
Bezeichnungen A 1
bis A 24 auf Fliesenrückseiten des Amsterdamer Gemäldes
Die Fliesen des Amsterdamer Fliesengemäldes tragen
auf ihren Rückseiten die Bezeichnungen A 1 bis A 78.
Leider sind mir Buchstaben und Ziffern von den Gemälden
in der Amalienburg und im Königlichen Museum Brüssel nicht
bekannt. Ihre Kenntnis wäre für die weitere Forschung von enormer
Bedeutung.
Chinoiseriemalereien an der Küchendecke
Archivalisch belegt ist Pasqualin Moretti 11
als Maler der >peinture en camayeux<12
in der Küche der Amalienburg. Weder er noch der >dessinateur<13
François Cuvilliés d.Ä. waren Urheber aller Motive. Sie gehen zum
Teil zurück auf Kupferstiche von Elias Baeck 14,
Martin Engelbrecht 15 und
Jean-Antoine Watteau 16.
24
Blickrichtung
Nordwesten
25
Blickrichtung Norden
26
Blickrichtung
Westen, Bereiche 12 - 8
27
Blickrichtung Süden
28
Blickrichtung Osten
Zusammenfassung
Die Küche der Amalienburg ist ein hervorragendes
Zeugnis der Chinamode des 18. Jahrhunderts.
Sie bietet zum Beispiel Ansätze zur Forschung nach
graphischen Vorlagen für die Malereien auf Holzvertäfelungen
unterer Wandzonen, auf Türen, Fensterläden, Fliesen und an der
Decke. Zu erforschen bleibt auch die Herkunft der Fliesen und hier
speziell der mehrfarbig bemalten Fliesen.
Anmerkungen
1
Marco Polo (*
ca. 1254 vermutlich in Venedig - + 8. Januar 1324 in
Venedig), venezianischer Handelsreisender und Verfasser eines
Berichtes seiner Chinareise (1271-1295).
2 Dom Vasco da Gama, Graf von Vidigueira (* um 1469 in Sines -
+ 24. Dezember
1524 in Cochin, Indien), portugiesischer Seefahrer.
3 Johann Friedrich Böttger (* 4. Februar 1682 in Schleiz - +
13. März 1719 in Dresden) ist zusammen mit Ehrenfried Walther von
Tschirnhaus Erfinder des europäischen Porzellans.
4 Kurfürst Max Emanuel (*11. Juli 1662 in München - + 26.
Februar 1726 in München), war von 1679 bis 1706 und von 1714 bis
1726 Herzog von Ober- und Niederbayern und der Oberpfalz sowie Kurfürst
und Erztruchsess des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Von 1692 bis 1706 war er Generalstatthalter der Spanischen
Niederlande.
5 Joseph Effner (getauft am 4. Februar 1687 in Dachau - + 23.
Februar 1745 in München) war Baumeister, Gartenarchitekt und
Dekorateur. Er studierte bei Germain Boffrand an der Académie
royale d’architecture in Paris. Ab 1715 war er bayerischer
Hofbaumeister unter Kurfürst Max Emanuel. 1720 wurde er zum
Oberhofbaumeister ernannt. Nach dem Tod Max Emanuels und dem
Amtsantritt von Karl Abrecht musste er 1726 François Cuvilliés den
Rang abtreten und war nur noch in der Verwaltung tätig.
6 Karl Albrecht von Bayern (* 16. August 1697 in Brüssel - +
20. Januar 1745 in München) aus dem Hause Wittelsbach war von 1726
bis 1745 Kurfürst und Herzog von Bayern und von 1742 bis 1745 als
Karl VII. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
7 François Cuvilliés d.Ä (* 23.
Oktober
1695 in Soignies - + 14. April 1768 in München) trat 1708 als
Hofzwerg in die Dienste des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern.
Ausgebildet wurde er bei Joseph Effner und 1720 bis 1724 an der
Pariser Académie royale d’architecture. 1725 bekam er das Amt des
Hofbaumeisters am kurfürstlichen Hof in München. Zwischen 1738 und
1756 veröffentlichte er Bücher zur Innenausstattung. Die Stiche in
diesen mehr als fünfzig Büchern trugen zur Verbreitung des Rokoko
in Europa bei. Cuvilliés war unter anderem maßgeblich am Bau der
Schlösser Augustusburg und Falkenlust (1728 bis 1740) beteiligt.
8 Cuvilliés wählte für die Küche der Amalienburg die
Einteilung in zwei Bereiche, den Arbeitsbereich mit Herd, Rauchfang
und Anrichte sowie den angrenzendem Freibereich. Diese Einteilung
erreichte er durch eine mannshoch abgehängte Wand, die von zwei
Pfeilern gestützt wird. Sie gibt links Zugang zum Küchengang,
rechts zur Anrichte und in der Mitte zum Herd. Obwohl der im
Halbdunkel liegende Arbeitsbereich durch den Wechsel von uni weißen
und blau auf weißen Grund gemalten Fliesen mit wenigen
manganfarbenen Randfliesen aufgelockert wird, werden die Blicke des
Besuchers trotz aller Farbigkeit des gesamten Raumes auf den Herd
gezogen.
9 http://www.geschichte-der-fliese.de/amalienburg_blumenvasenbilder.html
10 Durch
eine Brandkatastrophe wurden 1729 in der Münchener Residenz Räume
zerstört, die erst 1726 unter dem Hofbaumeister Effner im
chinesischen Stil umgebaut worden waren. In den Jahren 1730 bis 1737
erfolgte der erneute U.mbau des abgebrannten Traktes unter Leitung
des Architekten François de Cuvilliés, der seit 1730 als Nachfolger
Effners das Amt des Hofarchitekten bekleidete. Cuvilliés war schon
an den Baumaßnahmen Effners an der Residenz beteiligt und war mit
dessen Arbeiten vertraut. Da er ein gänzlich neues Konzept zur
Ausstattung der Räume wählte, fand man in der Münchener Residenz
keine Verwendung für die nach dem Brand geborgenen Fliesen. Genau
in dieser Zeit erfolgte unter seiner Leitung der Bau der Amalienburg
im Nymphenburger Schlosspark. Polychrome Fliesenbilder mit
Blumenvasen und chinesischen Szenen wurden nun in die
Fliesenbekleidung der Amalienburg eingefügt. Da diese Fliesenbilder
im Raum sehr hoch angesetzt wurden, stören die Ansetzfehler den
optischen Eindruck kaum.
11
Pasqualin Moretti. Mir sind leider keine Lebensdaten dieses Künstlers
bekannt.
Es
gibt mehrere Schreibweisen für seinen Namen, Pasqualin (Pasqualini,
. Joseph
Pasqualini, Pasquale, Pascalin) Moretti (Morete).
12
’peinture en camayeux’ Bezeichnung für einen Maler,
der monochrome, d. h. in mehreren Tönungen ein und derselben Farbe
Malerei ausführte. ’Camayeux’ oder ’Camaïeu’ war im 18.
Jh. auch als Porzellandekor beliebt.
13
’dessinateur’ Es ist im französischen Sprachgebrauch die
Bezeichnung für einen Musterzeichner, der Entwürfe zum Beispiel für
kunstgewerbliche Arbeiten ausführt.
14 Elias Baeck alias Elias
Heldenmuth (* 1679 - + 1747 in Augsburg), Maler, Kupferstecher, auch
Verleger. Er lebte in Rom, Venedig, Ljubljana (Laibach), bevor er
nach Augsburg kam (Thieme-Becker II, 337)
15 Martin Engelbrecht (* 16. September 1684 in Augsburg - + 18.
Januar 1756 in Augsburg) war Kupferstecher und Kunstverleger. Er
arbeitete mit seinem Bruder Christian (1672 – 1735) als Ornament-
und Vedutenstecher.
16 Jean-Antoine
Watteau (* 10. Oktober 1684 in Valenciennes - + 18. Juli 1721
in Nogent-sur-Marne) war bedeutender Maler des französischen
Rokoko.
Bildnachweise
Joliet,
Wilhelm 01, 04, 06, 18, 19, 24-28
Königliche Museen Brüssel 21
Margraf, Rainer (Archiv) 05, 11, 12
Rijksmuseum Amsterdam 20, 22, 23
Schlösserverwaltung München (Kopien aus KERAMOS 108/85) 13-16
Ziffer, Dr. Alfred 02, 03, 07-10
LINKS
Bayerische Verwaltung der staatlichen
Schlösser, Gärten und Seen
- Amalienburg-
Rijksmuseum
Amsterdam
Museum
for Art and History
http://www.rijksmuseum.nl
Königliche Museen für Schöne Künste
http://www.fine-arts-museum.be
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