In der Literatur wurde / wird häufig für Keramiken aus den in der Nähe von London liegenden Töpferorten Aldgate, Bermondsey, Lambeth, Southwark und Vauxhall verallgemeinernd London als Herstellungsort genannt.
Zwischen England und den Niederlanden - vor allem den nördlichen Niederlanden - bestanden vielfältige Verbindungen.
Die Niederländische Keramik fand in England einen solchen Anklang, dass die gesamte Fayenceproduktion den Sammelbegriff "delftware" (Delfter Keramik) erhielt.
1671 erteilte die englische Königin dem Holländer Jan Ariens van Hamme aus Delft das Privileg in Lambeth Fliesen und Porzellan (Fayencen) in holländischer Art und Weise zu produzieren.
Im 17. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts folgten englische Werkstätten in Bristol, Lambeth und Liverpool.
Englische und niederländische Werkstätten fertigten Fliesen in fast gleicher Weise. Bei den bis ca. 1750 gefertigten Fliesen ist es deshalb äußerst schwer festzustellen, ob es sich um englische oder niederländische Ware handelt.
Erst nach 1750 entwickelte sich in England ein von den niederländischen Produkten abweichende Art der Dekoration. Es waren Fliesen mit dem sogenannten "Bianco sopra bianco"-Rand, einem weißen Ornament auf einem sich sehr wenig abhebenden grauweißen oder zartblauen Grund. Diese Art der Bemalung von zinnglasierter Keramik wurde seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Castel Durante, Faenza und Venedig gepflegt. In England übernahmen vor allem Werkstätten in Bristol und Lambeth diese in Italien sowohl "Bianco sopra bianco" als auch "berettino" genannte Technik.
In Bristol und Lambeth wurden nicht nur Einzelfliesen sondern auch Fliesenbilder gemalt. Beispiele finden sich im Victoria & Albert Museum und der Guildhall in London sowie im Museum von Saffron Walden.
Die relativ begrenzte Produktion von Fliesen neben anderen Keramikerzeugnissen entfernte sich mit der Zeit immer mehr von niederländischen Vorbildern. Es waren vor allem die abweichenden Eckmotive und die in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Bristol gemalten polychromen Chinoiserien. Sehr geschätzte Darstellungen auf Fliesen aus Bristol sind polychrom gemalte Vögel auf hellblauem Grund und einer "Bianco sopra bianco"-Rahmung.
Für Fliesen aus Liverpool der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind graugrüne und rotbraune Farben bei Ornamenten und Motiven im Achteck und in Akkolade-Rahmung typisch.
Bei Sadler & Green (John Sadler und Guy Green) in Liverpool waren 1756 die Versuche von Thomas Shaw und Samuel Gilbody mit einer neuen Dekortechnik, dem Umdruck, erfolgreich.
Wurde zuerst von Holzstöcken gedruckt, so wurden diese bald durch Kupferplatten, Lithographiesteine und Stahlplatten ersetzt.
Dies war der erste Schritt zur industriellen Fertigung von Fliesen.
Die Fayencewerkstätten mit ihrer handgefertigten Ware konnten dem Preisdruck nicht standhalten.
In den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts schlossen alle Fayencewerkstätten in Liverpool. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellten auch die letzten Fayencewerkstätten in England ihre Produktion ein.
Erst die industrielle Revolution brachte die englischen Fliesen zur Weltgeltung.

 

 

 

Graphische Vorlage (Spielkarte)
'Pickerin attemts to kill ye K. in St James Park' after Francis Barlow, line engraving, 1679
3 1/2 in. x 2 in. (88 mm x 51 mm) paper size

 


Graphische Vorlage (Spielkarte)
'Pickerin Executed' after Francis Barlow, line engraving, 1679
3 1/2 in. x 2 1/8 in. (90 mm x 53 mm) paper size

Thomas Pickering (1621? - 1679), Benedictine monk and victim of the Popish Plot
Francis Barlow (floruit 1648 - died 1704)

 

Graphische Vorlage (Spielkarte)
'Sr. William Waller burning Popish books, Images and Reliques' (Sir William Waller)
after Francis Barlow, line engraving, 1679
3 1/2 in. x 2 in. (90 mm x 52 mm) paper size


Sir William Waller (1597 - 1668), Parliamentary general
Francis Barlow (floruit 1648 - died 1704)

 

Diese neun Fliesen – mit dem niederländischen Eckmotiv „ossenkop“ - wurden zwischen 1679-80 wahrscheinlich in der Londoner Werkstatt des aus Delft stammenden Ariens van Hamme gefertigt. Sie beschreiben in doppelten Kreisen in Bild und Text eine fiktive Verschwörung der katholischen Kirche.
Die Fliesenmaße wechseln in den Größen von 12,0 bis 12,5 cm.
(V&A 414:823-1885)

("Papisten-Verschwörung" bei Wikipedia)

 

 

 

In London gefertigte Fliese (delftware tile), um 1725-50.
Diese Art des Dekors wurde in niederländischen Werkstätten wie folgt bezeichnet
„bijbelse voorstelling in achtkant op gesprenkeld fond met uitgespaarde anjers“. (Privatbesitz).

 

In Liverpool gefertigte Fliese (delftware tile), um 1750-55.
Die Rahmung wurde in niederländischen Werkstätten als „dubbel gebogen achtkant met geparelde rand“ bezeichnet. Das Motiv findet sich auf vielen niederländischen Fliesen dieser Zeit. (Privatbesitz).

 

London, um 1750-55 (Privatbesitz).

 

Chinesen, drittes Viertel des 18. Jahrhunderts, Liverpool (V&A Museum).

 

Rokokoszenen, drittes Viertel des 18. Jahrhunderts, Liverpool (V&A Museum).

 

Lustwandelndes Paar, Liverpool um 1758-75, 12.6 cm (V&A C536-1922).

 

Bibelfliese aus der Werkstatt Sadler & Green, 1758-61 (Privatbesitz).

 

Die Fliese im Format 12,8x12,8 cm zeigt in allegorischer Darstellung
einen galanten Herrn, der einem Mädchen ein Vogelnest überreicht.
Bei John Sadler in Liverpool um 1758-61 gedruckt (V&A C138-1981).

 

Die Fliese wurde wahrscheinlich zwischen 1760 und 1775 in Liverpool gefertigt (Privatbesitz).

 

Chinesische Szenen auf hellblauem Hintergrund mit Bianco-sopra-bianco-Rahmung,
wahrscheinlich aus der Werkstatt Richard Frank, Redcliff Back, Bristol, 1760-70 (V&A C46-1960).

 

Links: Klassizistische Vase, Umdruck mit Übermalung, um 1775, Liverpool,
wahrscheinlich aus der Werkstatt des Guy Green (V&A Museum).
Rechts: Schäferszene, Umdruck vom Holzstock mit Übermalung, 1756-57, Liverpool,
wahrscheinlich aus der Werkstatt des John Sadler

 

Neoklassizistische Motive, u.a. mit den "Vier Jahreszeiten" und den "Drei Grazien", in schwarzer Farbe gedruckt und grün bemalt. Wahrscheinlich in der Werkstatt des Guy Green in Liverpool um 1770-80 gefertigt.
Die Fliesen messen 12,4 x 12,4 cm. (V&A C.326-1930).

 

Das neoklassizistische Motiv mit den "Drei Grazien" wurde in schwarzer Farbe gedruckt und grün bemalt. Wahrscheinlich wurde die Fliese in der Werkstatt des Guy Green in Liverpool um 1770-80 gefertigt.
Die Fliese hat die Maße 12,4 x 12,4 cm. (Privatbesitz).

 

Victoria & Albert Museum, London
http://www.vam.ac.uk/