DEUTSCHLAND

 

Ansbach. Residenz
Im Fliesensaal sind fast 3000 Fliesen der 1710 durch Markgraf Wilhelm Friedrich
gegründeten Ansbacher Fayencemanufaktur angesetzt.

 

 

Ansbach, Residenz
1762 wurde Johann Georg Christoph Popp der Auftrag für die Lieferung der >porzellinern Plättlein< erteilt.
Die Fliesen haben das Format von 12 x 12 cm

 

 

Arnstadt, Schloss
Außenecke einer Fliesenbekleidung.
Diese Fliesen lieferte 1735 die von Fürstin Auguste Dorothea 1715 gegründete Fayencemanufaktur Dorotheenthal.

 

 

Beilngries, Schloss Hirschberg
Ansbacher Fliesen im Rittersaal des Ostflügels

 

Beilngries, Schloss Hirschberg
1764 gelieferte Ansbacher Fliesen im Rittersaal des Ostflügels

 

 

Diesbar-Seußlitz, Schloss
Fliesen aus der Manufaktur Dorotheenthal

 

 

Dornburg, mittleres Schloss

Das mittlere Dornburger Schloss wurde in den Jahren 1736 bis 1747 gebaut. Die Erfurter Fliesen sind in Zweitverwendung angesetzt und nach vielen Merkmalen in den Jahren 1720 bis 1730 gefertigt.

 

 

Dortmund, Museum für Kunst- und Kulturgeschichte
Tableau aus Schloss Ruthe nach einem Kupferstich der Parforcejagd des Johann Elias Riedinger

Ruthe liegt zwischen Hannover und Hildeheim. Das Jagdschloss des Kölner Kurfürsten Clemens August, der auch Fürstbischof von Hildesheim war, brannte Ende des 19. Jahrhunderts aus. Die Fliesenbilder kamen 1914 in den Kunsthandel. Der größte erhaltene Fliesenbestand befindet sich heute im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte in Dortmund, doch besitzen auch die Museen von Flensburg und Hildesheim Fliesenbilder aus Schloss Ruthe. Die Großfliesen mit den markanten Kennzeichnungen abgeschlagener Stege auf den Rückseiten wurden in der Manufaktur von Wrisbergholzen um 1755 gefertigt.

 

 

 

Frankfurt am Main, Museum für Kunsthandwerk
Das Tableau stammt aus dem ehemaligen Ostein-Palais in Geisenheim.

Der Sommersitz des Mainzer Kurfürsten wurde um 1770 erbaut. Die Wandflächen des Badezimmers waren mit Fliesen der Flörsheimer Fayencemanufaktur bekleidet. Als Tableaus bewahrte Teilbereiche der Wandflächen kamen beim Abriss der Gebäude in das Museum für Kunsthandwerk nach Frankfurt. Die Wandflächen tragen die Signatur des Flörsheimer Fayencemalers Schugart und sind auf 1771 datiert. Besitzer der Werkstatt in Flörsheim war zu dieser Zeit Kaspar Dreste.

 

 

 

Gunzenhausen, Museum
Aufgehaubter Falke, Fayencefliese aus dem Jagdschloss Gunzenhausen

Im Jahre 1749 wurde das >hochfürstliche Falkenhaus< in Gunzenhausen gebaut und 1754 mit 400 Fayencefliesen ausgestattet, von denen 138 Fliesen im Format von 173 mm x 173 mm der Falkenjagd gewidmet sind. 1977 wurden die Fliesen zur Sicherung ausgebaut und in das Gunzenhausener Museum gebracht. In der Fayenceliteratur wurde Ansbach als Herstellungsort genannt, bis 1978 in den Aktenbeständen des markgräflichen Bauamtes im Staatsarchiv Nürnberg die folgende Notiz gefunden wurde; >In das hochfürstlich Anspachische Falcken Hauß nach Gunzenhaußen seyn von mir Endes unterschriebenen verfertigt und gelieffert worden 400 Stück Porcellane Wandt Platten, von feiner Mahlerey jedes Stück zu 20.Xr. macht in Summa 133 fl. 20 Xr. Crailsheim den 11. November 1754 Johann Georg Weiß Porcellainer.<

 

 

 

Hohenaltheim, Schloss

Fliesen für vier Räume des Oettingen-Wallersteinschen Schlosses wurden um 1740 in der Fayencewerkstatt Oettingen-Schrattenhofen von Jakob Galland und Philipp Nikolaus Ripp bemalt. Die Auswahl der Motive trafen der Bauherr Fürst Albrecht Ernst II. und sein Bauinspektor, Porzellanverwalter und Maler J.G. Conradi. Ungewöhnlich sind groteske Tierdarstellungen.

Hohenaltheim, Schloss
Zwei Fliesen aus der Wandbekleidung mit unterschiedlicher Qualität der Bemalung

 

 

 

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum


Wandfliesen vom Niederrhein aus glasierter Irdenware: Die Fliesen im Format 120 mm x 120 mm wurden vom Hafner (Töpfer) in Ritztechnik und Schlickermalerei dekoriert. Bei der Ritztechnik wurden Konturen vor dem Brand in den lederharten Scherben geritzt. Die Schlickermalerei ist eine Dekorart der Hafnerkeramik bei der mittels Malhörnchen (Gießbüchse) der Schlicker (Brei aus eingefärbtem Ton und Wasser) auf die Zinnglasur der Fliese aufgebracht wird. Die Fliesen wurden 1770 von Jakob Hagemann d.Ä. aus Issum (Niederrhein) gefertigt.

 

 

 

Rastatt, Schloss Favorite
Nürnberger Fliesen an Pfeilern im Gang im Obergeschoss des über zwei Etagen reichenden Gartensaals

 

Rastatt, Schloss Favorite
Detail der Fliesenbekleidung eines Pfeilers vom Gang an der Südseite im Obergeschoss

 

 

 

Schleswig, Schleswig-Holsteinisches-Landesmuseum

Detail aus Dr. Grauers Stube. Die keramischen Wandbekleidungen dieses Zimmers stammen aus der Fayencemanufaktur des Carsten  Behrens, der ersten Fayencewerkstatt in Kellinghusen. Die Fliesen im Format 163 mm x 163 mm zeigen neben Landschaften auf fünf Fliesen eine polychrome Ansicht von Kellinghusen und vier Portraitsilhouetten.

 

 

 

Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum

Irdengutfliesen aus Württemberg mit farbiger Malerei auf gelbweißem Grund. Die Fliesen im Format 20 mm x 23 mm stammen aus einem Haus in Würzbach. In Württemberg werden diese Irdengutfliesen als Ofenwandplättchen bezeichnet. Nachgewiesen sind Irdengutfliesen der folgenden Hafnerfamilien: Widmann und Räpple in Heimsheim, Dompert in Simmozheim, Schwarz in Neubulach, Schmid und Kipfer (Kypfer) in Holzgerlingen.

 

Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum
Irdengutfliese in Kratz- und Schlickertechnik mit der Darstellung des Evangelisten Lukas

 

 

Grundlagen

Die Geschichte der deutschen Fliesenkeramik kann in vier Perioden eingeteilt werden: das Mittelalter, die Zeit der Renaissance, die Periode des Imports niederländischer Fayencen und deren Einfluss auf deutsche Fayencewerkstätten, sowie die Ära frühindustrieller Fertigung von Fliesen.
Die Herstellung und Verarbeitung von Fliesen wurde durch die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges und seiner Nachwirkungen stark beeinträchtigt.
Die Verwendung von Fayencefliesen stieg mit Importen niederländischer Fliesen im ersten Viertel des 18. Jahrhundert.
Der bayerische Kurfürst Max Emanuel (1662-1726) wurde 1691 vom spanischen König Karl II. auf Empfehlung des englischen Königs Wilhelm III. zum Statthalter der spanischen Niederlande ernannt. Dieses Amt übte er bis 1701 aus. So ist seine Vorliebe für niederländische Gepflogenheiten und für die niederländische Fliese zu erklären.
Es haben allerdings mehrere Faktoren zusammengewirkt. Wesentlichen Einfluss auf die Verwendung von Fliesen als Baustoff hatten auch der Zeitgeschmack mit der Vorliebe für ostasiatische Kultur und der Leidenschaft, chinesisches Porzellan zu sammeln. So wurden Fayencefliesen - als Ersatz für chinesisches Porzellan - in Baurechnungen als "porcellaine plättgen" oder „porcellaine steingen“ bezeichnet. Zu den vorgenannten Vorzügen niederländischer Fliesen kam noch hinzu, dass die weiße Zinnglasur und die blaue Bemalung den Farben Weiß und Blau der Wittelsbacher Rauten entsprachen.
Max Emanuel kannte die Fliesenarbeiten in und am "Trianon de Porcelaine" in Versailles, denn die Beziehungen zwischen dem bayerischen Hof und Paris waren durch verwandtschaftliche und politische Bande eng geknüpft. Die Fliesen für das Münchener Stadtschloss sowie für die beiden Nymphenburger Parkschlösschen Pagodenburg (1716/19) und Badenburg (1718/21) waren die ersten größeren Importe niederländischer Fliesen.
Die Vorliebe für niederländische Fliesen übertrug Kurfürst Max Emanuel auf seine Söhne. Auch in deren Bauten fanden niederländische Fliesen vielfältige Verwendung.
Kurfürst Karl Albrecht (1697-1745), nach seiner Krönung zum Kaiser: Karl VII. Albrecht, ließ für seine Frau Amalia im Nymphenburger Schloßpark 1734/39 die Amalienburg bauen. Während in den beiden anderen Parkburgen ausschließlich Fliesen mit blauer Bemalung verwendet sind, gibt es bei den Fliesen der Amalienburg eine Vielfalt von Farben und Darstellungen. Große Blumenvasentableaus, Darstellungen von Damen im Kimono und groteske Ungeheuer in bizarrer chinesischer Landschaft ziehen die Blicke auf sich.
Kurfürst Clemens August, Erzbischof von Köln und Inhaber anderer kirchlicher Würden sowie Hochmeister des Deutschen Ritterordens, ließ von 1729 an Schloss Falkenlust errichten. Einer der originellsten Räume ist das Treppenhaus. Vorbild dürfte das sehr kleine Stiegenhaus der Pagodenburg im Nymphenburger Schlosspark gewesen sein. Für Schloss Falkenlust wurden keine handelsüblichen Fliesen verwendet. Die Bemalung der Rotterdamer Fliesen erfolgte nach vorgegebenen Entwürfen. Grundmotiv ist ein rhombenförmiges Netz aus Fliesen mit den Rauten des wittelsbacher Hauswappens.
In Schloss Augustusburg ließ Kurfürst Clemens August die Wandsockel im Som­merappartement mit Fliesen aus Rotterdam bekleiden. Im Sommerspeisesaal und im Badkabinett wurden die Fliesenbekleidungen raumhoch ausgeführt. Auch diese Fliesen wurden in Rotterdam hergestellt. In anderen von Kurfürst Clemens August in Auftrag gegebenen Schlossbauten sind ebenfalls niederländische Fliesen erhalten oder durch Bauakten nachgewiesen.
In den Regierungszeiten der Wittelsbacher Joseph-Clément de Bavière (1694-1723) und Jean-Théodore (1744-1763) als Erzbischöfe von Lüttich fand die Fliese auch in deren Bauten vielfältige Verwendung.
Es gehörte bald zum guten Ton, dass in Palästen der Adeligen aber auch in Häusern reicher Kaufleute Fliesenarbeiten ausgeführt wurden.
Der Import niederländischer Fayencen legte die noch verbliebene traditionelle Keramikproduktion brach, sie gab aber auch Anstoß zur Gründung von deutschen Fayencewerkstätten. Häufig waren Niederländer oder in den Niederlanden ausgebildete Keramiker diejenigen, die über das zur Gründung und Leitung einer Fayencewerkstatt erforderliche Wissen und Können verfügten. Da die sogenannten "Delfter Fliesen" Mode waren und zugewanderte Niederländer weiterhin Motive in gewohnter Weise malten, ist es meist äußerst schwierig, zu unterscheiden, ob Fliesen in einer niederländischen oder deutschen Fayencewerkstatt gefertigt und bemalt wurden.
Die deutsche Fayencefliese, als übernommene niederländische Entwicklung, wurde in ihrer Gesamtheit erst durch Siegfried Stahl in seinem 1977 erschienenen Buch "Deutsche Fliesen, Fayence-Fliesen des 18. Jahrhunderts" dargestellt. Bis dahin gab es lediglich Veröffentlichungen zu einzelnen Werkstätten oder speziellen Arbeiten.
Nachfolgend finden Sie deutsche Manufakturen, für die Fliesenproduktion nachgewiesen wurde:
Altona (1786-1813), Ansbach (1709/10-1806, 1807-1839), Bayreuth (1713/14-1835), Berlin (1678-1844), Braunschweig (1707-1807), Crailsheim (um 1715-1827), Dorotheenthal (1707/15-1806), Dresden (1708-1784), Erfurt (1707-1792), Flörsheim (1765-1914), Frankfurt (1666-1772), Hanau am Main (1661-1806), Hannoversch Münden (1732-1854), Itzehoe (1790-1803), Kassel (1680-1788), Kellinghusen (1763-um 1860), Köthen (1735-1752), Künersberg (1745-1768), Lesum (1756-1800), Ludwigsburg (1758-1824), Magdeburg (1754-1865), Nürnberg (1712-um 1840), Oettingen-Schrattenhofen (1735-um 1830), Rheinsberg (1762-1866), Schleswig (1755-1814), Schrezheim (1752-1852), Stockelsdorf (1772-1800), Stralsund (1757-1792), Wrisbergholzen (1735-1834) und Zerbst (1721-1861).
Fliesen aus deutschen Fayencewerkstätten wurden zum Beispiel in folgenden Schlössern und Herrenhäusern angesetzt und verlegt: Ansbach, Arnstadt, Aystetten bei Augsburg, Bad Rehburg, Diesbar-Seußlitz, Dornburg bei Jena, Favorite bei Rastatt, Fulda, Gartow, Geisenheim/Rheingau, Großsedlitz bei Dresden, Gunzenhausen, Hirschberg bei Beilngries, Hohenaltheim bei Nördlingen, Kassel, Münster, Öttingen, Weikersheim, Weimar und Wrisbergholzen.
In einigen fest umgrenzten Gebieten Deutschlands spielten neben den importierten oder nach ihrem Vorbild gefertigten deutschen Fayencefliesen die Irdengutfliesen noch eine Rolle. Es waren Werkstätten aus bekannten Töpferzentren vom Niederrhein, von der Schwäbischen Alb, aus Württemberg, Hessen und Thüringen, die neben Ofenkacheln, Gebrauchs- und Zierkeramik auch Irdengutfliesen in geringer Anzahl herstellten. In den genannten Gebieten wurden Fliesen im Zusammenhang mit einer Feuerstätte angesetzt und teilweise auch als Brandschutz unter Öfen verlegt. Wenn auch die Verbreitung von Irdengutfliesen im 18. Jahrhundert nicht besonders groß war und auf die Nähe zu Töpferzentren beschränkt blieb, so soll die Irdengutfliese doch als eine von vielen Fliesenarten nicht unerwähnt bleiben.