Harlinger Soldatenfliesen in Schloss Nöthnitz

 

 

Schloss Nöthnitz liegt kurz vor der südlichen Stadtgrenze Dresdens in dem Ort Bannewitz an der Verbindungsstraße von Zinnwald nach Dresden.

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Schloss Nöthnitz um 1850

In einem Flur des Schlosses gibt es die bisher größte bekannte keramische Wandbekleidung aus Harlinger Soldatenfliesen. Sie besteht aus 180 blau bemalten Fliesen mit insgesamt 47 verschiedenen Darstellungen und dem Eckmotiv ‚ossekop’(Ochsenkopf). Die Fliesen mit den Maßen von jeweils 130x130x10mm verteilen sich auf drei in Holzrahmen gefasste Felder, zwei von 4x21 Fliesen und eins von 4x3 Fliesen.

 

 

Geschichtliche Daten

Der chursächsische Oberkammerherr und Hofmarschall Heinrich von Taube auf Reichstädt kaufte 1629 das Rittergut Nöthnitz und ließ 1630 den Renaissancebau des Schlosses errichten. Die Soldatenfliesen wurden wahrscheinlich geliefert und angesetzt als Heinrich von Taube von 1630 bis 1681 Eigentümer von Schloss Nöthnitz war.

Einen Einschnitt gab es im Bestand, als Carl Freiherr von Finck, Besitzer des Schlosses seit 1920, 1945 im Zuge der Bodenreform enteignet wurde. Das Schloss blieb Volkseigentum von 1945 bis 1990. Von 1990 bis 1997 war Schloss Nöthnitz im Besitz des Freistaates Sachsen. Viktor Freiherr von Finck lebte mit seiner Familie seit 1992 im Schloss und übernahm es 1997. Er verkaufte es 2009 an den tschechischen Unternehmer Jan David Horsky.

 

Die kulturhistorisch so wertvollen keramischen Wandflächen mit den Darstellungen von Soldaten zu Fuß wurden 1949 als zum Arbeiter- und Bauernstaat nicht passend übertapeziert und weiß gestrichen. Im Jahre 1993 besuchte ich auf Anraten des sächsischen Landeskonservators, Herrn Prof. Hans Nadler, Schloss Nöthnitz und fand die Wandflächen noch in diesem Zustand vor. Mit Einwilligung des Herrn Viktor Freiherr von Finck kratzte ich eine kleine Stelle frei und war erstaunt, historische Soldatenfliesen zu entdecken.

 

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Jan Pluis, der beste Kenner niederländischer Fliesen besuchte 2005 Schloss Nöthnitz und dokumentierte die nun freigelegten Fliesenbekleidungen. Er schreibt die Soldatenfliesen der Werkstatt des Pieter Jacobs d’Adam in Harlingen zu und datiert sie auf ungefähr 1650. Im Keller dieser Werkstatt ‚aan de Ossenmarkt’ wurden Fliesen in Art der Soldatenfliesen in Schloss Nöthnitz als Fehlbrände angetroffen.

Es dürften wohl mit die letzten Soldatenfliesen des 17. Jahrhunderts sein, die nach dem Frieden von Münster, dem Ende des Dreißigjährigen Krieges bzw. des Achtzigjährigen Krieges der Niederlande, in Harlingen gefertigt wurden.

Im Archiv des Fries Museum zu Leeuwarden befinden sich 21 Durchstaubschablonen für Soldatenfliesen, die alle die Initialen von Pieter Grauda tragen, der ab 1687 Eigentümer der ‚gleibakkerij aan de Schritsen / Raamstraat’ war.

Diese Dekore gehörten nicht mehr zur Produktionspalette der Werkstatt, da auf einer der Durchstaubschablonen der Vermerk ‚ Een rest ouderwetse sponsen’ (ein Rest unmoderner Durchstaubschablonen) steht. Jan Pluis schreibt deshalb die Fliesen der Werkstatt des Pieter Jacobs d’Adam zu, obwohl auf den Durchstaubschablonen im Fries Museum die Initialen von Pieter Grauda vermerkt sind.

Pieter Grauda hat vermutlich diese Durchstaubschablonen nie benutzt.

 

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Wandfeld 1.1

 

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Wandfeld 1.2

 

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Wandfeld 2.1

 

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Wandfeld 2.2

 

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Wandfeld 3

 

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Dekor 1 von 47

 

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Dekor 2 von 47

 

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Dekor 3 von 47

 

Arbeitsprozess bei der Herstellung bemalter Fayencefliesen

- Benutzung von Durchstaubschablonen zum Aufbringen der Dekore -

Nach dem Rohbrand wird die Fliese mit einer weiß brennenden Zinnglasur überzogen und darauf das Dekor aufgebracht.

Erster Arbeitsgang der Dekoration ist das Auflegen einer Durchstaubschablone (spons) auf die Fliese. Mit einem mit Holzkohlepulver gefüllten Leinensäckchen wird auf die Durchstaubschablone geklopft. Holzkohlepulver dringt durch die Perforation der Konturen der Darstellung und liegt in feinen schwarzen Pünktchen auf der Zinnglasur. Nun kann der Maler das aus punktierten Umrissen bestehende Motiv nachziehen und die Schattierungen anlegen. Abschließend werden noch die Eckornamente aufgebracht.

Im Gemeentearchief Rotterdam fand ich 18 Durchstaubschablonen für Soldaten zu Fuß bei den Inventurnummern 1976-3204-3255. Davon stimmen 14 Schablonen mit Darstellungen auf Fliesen im Schloss Nöthnitz überein.
Jan Pluis fand im Archiv des Fries Museum in Leeuwarden 21 Harlinger Durchstaubschablonen für Soldaten zu Fuß, wovon 17 mit Fliesen in Nöthnitz übereinstimmen.
Es gibt drei Darstellungen von Soldaten zu Fuß, für die Durchstaubschablonen aus Rotterdam und Leeuwarden übereinstimmen. Es sind die Dekore 4, 6 und 43.
Ungeklärt ist noch der Zusammenhang zwischen den Rotterdamer und Harlinger Durchstaubschablonen. Spannend bleibt deshalb die Abgrenzung von Harlinger und Rotterdamer Soldatenfliesen.
Die Darstellungen der Soldaten gehen zum Teil zurück auf Kupferstiche von Jacob de Gheyn in ‚WAPENHANDELINGHE VAN ROERS MVSQVETTEN ENDE SPIESSEN (SGrauen Hage 1607).
Sieben Kupferstiche stimmen mit Durchstaubschablonen und Dekoren überein. Es sind dies Vorlagen für die Dekore 8, 9, 13, 30, 32, 39 und 41.

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3237

Durchstaubschablone für Dekor 3 (Abb. 10)

 

 

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Dekor 4 von 47

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3234

Durchstaubschablone für Dekor 4 (Abb. 12)

 

 

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Fries Museum, Leeuwarden

Durchstaubschablone für Dekor 4 (Abb. 12)

 

 

 

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Dekor 5 von 47

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3251

Durchstaubschablone für Dekor 5 (Abb. 15)

 

 

 

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Dekor 6 von 47

 

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3227

Durchstaubschablone für Dekor 6 (Abb. 17)

 

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Fries Museum, Leeuwarden

Durchstaubschablone für Dekor 6 (Abb. 17)

 

 

 

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Dekor 7 von 47

 

 

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Dekor 8 von 47

 

 

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SPIES-DRAGHER
Ten 24. hoe hy hebbende de Spies al palmende voor ghebrocht ende vvel ghevat, ...

Vorlage für Dekor 8 (Abb. 21)

 

 

 

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Dekor 9 von 47

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SPIES-DRAGHER
Ten 25. hoe hy Ruyter vervvachtende de Spies teghen de rechter voet setten, ...

Vorlage für Dekor 9 (Abb. 23)

 

 

 

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Dekor 10 von 47

 

 

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Dekor 11 von 47

 

 

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Dekor 12 von 47

 

 

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Dekor 13 von 47

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SPIES-DRAGHER
Ten 4. hoe hy voor de derde hervattinge, hebbende de Spies met de lincker hant teghens den rechter arm ghevoecht, ...

Vorlage für Dekor 13 (Abb. 28)

 

 

 

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Dekor 14 von 47

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3231

Durchstaubschablone für Dekor 14 (Abb. 30)

 

 

 

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Dekor 15 von 47

 

 

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Dekor 16 von 47

 

 

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Dekor 17 von 47

 

 

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Dekor 18 von 47

 

 

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Dekor 19 von 47

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3252

Durchstaubschablone für Dekor 19 (Abb. 36)

 

 

 

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Dekor 20 von 47

 

 

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Dekor 21 von 47

 

 

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Dekor 22 von 47

 

 

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Dekor 23 von 47

 

 

 42

Dekor 24 von 47

 

 

 43

Dekor 25 von 47

 

 

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Dekor 26 von 47

 

 

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Dekor 27 von 47

 

 

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Dekor 28 von 47

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3236

Durchstaubschablone für Dekor 28 (Abb. 46)

 

 

 

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Dekor 29 von 47

 

 

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Dekor 30 von 47

 

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MVSQVETTIER
Ten 24. hoe hy, vvt de mate de Musquet laden sal, latende de furquet noch al slepen, …

Vorlage für Dekor 30 (Abb. 49)

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3228

Durchstaubschablone für Dekor 30 (Abb. 49)

 

 

 

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Dekor 31 von 47

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3255

Durchstaubschablone für Dekor 31 (Abb. 52)

 

 

 

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Dekor 32 von 47

 

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SCHVDT
Ten 18. hoe hy t’polver soo daer vvat op der panne decksel vvaer blijven ligghen, affschudden sal, ...

Vorlage für Dekor 32 (Abb. 54)

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3235

Durchstaubschablone für Dekor 32 (Abb. 54)

 

 

 

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Dekor 33 von 47

Diese Fliese ist ein Fehlbrand. Warum sie trotzdem geliefert und angesetzt wurde kann wohl nie mehr geklärt werden.

 

 

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Dekor 34 von 47

 

 

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Dekor 35 von 47

 

 

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Dekor 36 von 47

 

 

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Dekor 37 von 47

 

 

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Dekor 38 von 47

 

 

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Dekor 39 von 47

 

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MVSQVETTIER
Ten 12. hoe hy vvel aenlegghen, en die Musquet ende furquet met de lincker hant houden sal, ...

Vorlage für Dekor 39 (Abb. 63)

 

 

 

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Dekor 40 von 47

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3254

Durchstaubschablone für Dekor 40 (Abb. 65)

 

 

 

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Dekor 41 von 47

 

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MVSQVETTIER
Ten 3. hoe hy de furquetvvanneer hy de Musquet vanden hals nemen vvil, …

Vorlage für Dekor 41 (Abb. 67)

 

 

 

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Dekor 42 von 47

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3226

Durchstaubschablone für Dekor 42 (Abb. 69)

 

 

 

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Dekor 43 von 47

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3250

Durchstaubschablone für Dekor 43 (Abb. 71)

 

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Fries Museum Leeuwarden

Durchstaubschablone für Dekor 43 (Abb. 71)

Auf dem Blatt stehen die Initialen von Pieter Grauda und der Hinweis ‚21 sponsen’ (21 Durchstaubschablonen).

 

 

 

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Dekor 44 von 47

 

 

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Dekor 45 von 47

 

 

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Dekor 46 von 47

 

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Gemeentearchief Rotterdam 1976-3232

Durchstaubschablone für Dekor 46 (Abb. 76)

 

 

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Dekor 47 von 47

 

   

Für Besichtigungen wenden Sie sich bitte an den Förderverein Schloss Nöthnitz e.V.

mail@freunde-schloss-noethnitz.de

 

Abbildungsnachweis

Abbildung 01 aus: G. A. Poenicke: "Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen." 
Teil II: Meissner Kreis. Nach der Natur neu aufgenommen von F. Heise. Leipzig 1856.

Jan Pluis 03-10/12/14-15/17/19/20-21/23/25-28/30/32-36/38-46/48-49/52/54/57-63/65/67/69/71/73-76/78

Wilhelm Joliet
02/11/13/16/18/22/24/29/31/37/47/50-51/53/ 55-56/64/66/68/70/72/77

 

 

Benutzte Literatur

Jacob de Gheyn
‚Wapenhandelinge van roers musquetten ende spiessen
(’s-Gravenhage 1607)

Klaus Tidemann
Figürliche Darstellungen auf Fliesen des 17. Jahrhunderts
-Soldaten zu Fuß- in: Weltkunst, Heft 5, 1. März 1989, Seiten 627-629

Wilhelm Joliet
Die Geschichte der Fliese (Köln 1996)

Wilhelm Joliet
Schloss Nöthnitz - Fliesen aus Dornröschenschlaf geweckt - 
in: Fliesen und Platten, Juni 2005, Seiten 26-29

Arend Jan Gierveld en Jan Pluis
Fries Aardewerk, deel V. Harlingen. Bedrijfsgeschiedenis 1600-1933 & Producten tot 1700 
(Leiden 2005)

Jan Pluis
Wisselwerking van decors van verschillende fabrikanten
in: TEGEL 38/2010

Meinem Fliesenfreund Jan Pluis danke ich für die vielfältige Hilfe.

 

Links

Schloss Nöthnitz
http://de.wikipedia.org/wiki/Nöthnitz

 

Stadsarchief Rotterdam
www.stadsarchief.rotterdam.nl

 

Fries Museum Leeuwarden
http://www.friesmuseum.nl/