Fliesengemälde nach grafischen Vorlagen

im Lissaboner Palácio de Tancos

 

 

 

 

Der Palast ist eines der Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, das dem Erdbeben von 1755 standgehalten hat.

Im Inneren des Palastes befinden sich mehrere Räume mit azulejaria (Fliesenarbeiten) vom Ende des 17. Jahrhunderts bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im Erdgschoß gibt es einen Saal mit mythologischen Szenen aus den Metamorphosen des Ovid (1) nach grafischen Blättern des Jean Lepautre (2). Diese Fliesengemälde werden António de Oliveira Bernardes (3) zugeschrieben. Sie werden umrahmt von Pflanzenranken, Engeln, Putten, Muscheln und Schilden mit dem Wappen der Manuéis.

 

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Wappen der Manuéis, der Erbauer des Palastes.

 

 

 

 

Flussgott Peneios, Vater der Daphne (Metam. I.452-461)

 

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British Museum, 1891-1116.134

 

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Peneios ist in der griechischen Mythologie der Flussgott des gleichnamigen Flusses in Thessalien, der heute Pinios genannt wird. Peneios ist der Sohn des Okeanos und der Tethys.

Mit der Najade Krëusa bekam er die Kinder Hypseus und Stilbe. Nach Ovid ist er auch Vater der Daphne.

 

 

 

 

Pan und Syrinx (Metam. I.689-747)

 

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British Museum London, 1891,1116.137

 

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Pan ist in der griechischen Mythologie der Hirtengott. Seiner Gestalt nach ist er ein Mischwesen mit Oberkörper eines Menschen und dem Unterkörper eines Widders.

Er verfolgte liebestrunken die Nymphe Syrinx, welche aber vor ihm floh. Ihre Flucht endete jäh am Fluss Ladon, wo sie sich plötzlich in ein Schilfrohr verwandelte, das Pan daraufhin umarmte. Als nun der Wind in das Rohr blies, kamen klagende Töne hervor. Pan wollte die Klänge nicht verlieren, also brach er aus dem Schilfrohr sieben Teile, eines immer etwas kürzer als das vorherige, und band sie zusammen. So erfand er die Hirtenflöte, die er nach der Nymphe ‚Syrinx‘ benannte.

 

Siehe auch www.geschichte-der-fliese.de/fron.html

 

 

 

Coronis und Neptun (Metam. II.550-588)

 

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British Museum, 1891-1116.139

 

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Coronis ist die Tochter des phokischen Königs Coroneus. Der Gott Neptun verliebt sich in sie. Er möchte ihre Zuneigung gewinnen, aber Coronis zeigt kein Interesse. Daraufhin versucht Neptun sie zu vergewaltigen, während sie am Strand spazieren geht. Coronis will fliehen, kommt aber im Sand nicht schnell genug voran. Sie wendet sich an die Göttin Athene, die eingreift und Coronis in eine Krähe verwandelt, dami sie davonfliegen kann.

 

 

 

 

Raub der Europa (Metam. II.812-836)

 

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Rijksmuseum Amsterdam, RP-P-1926-643, 2/6

 

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Nach Ovid verliebt sich Jupiter (röm. für Zeus) in Europa und verwandelt sich wegen seiner argwöhnischen Gattin Hera in einen Stier. Er nähert sich Europa, die mit Gefährtinnen am Strand ist. Europa füttert den Stier, streichelt ihn und umwindet seine Hörner mit Blumen. Schließlich traut sie sich sogar, auf ihn zu steigen – da geht der Stier ins Wasser und schwimmt auf das offene Meer hinaus. Er bringt Europa nach Kreta, wo er seine Stiergestalt ablegt und sich offenbart.

 

 

 

 

Aktaion von Artemis in einen Hirsch verwandelt (Metam. III.158-252)

 

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National Gallery of Art, Washington C.C.

 

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Aktaion ist ein Heros der griechischen Mythologie. Ovid erzählt, wie Aktaion auf der Jagd die Göttin Artemis, Tochter des Zeus und der Leto sowie Zwillingsschwester des Apollon, beim Bad überrascht, worauf sie ihn in einen Hirsch verwandelt und er von seinen eigenen Hunden zerfleischt wird.

Vom Fliesengemälde sind nur noch kleine Teilbereiche erhalten. Es gibt viele Fehlstellen und Bereiche, in denen unterschiedliche Fliesen eingearbeitet wurden.

 

 

 

 

Raub der Proserpina durch Pluto (Metam. V.385-424)

 

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Rijksmuseum Amsterdam, RPP-2014-67-1

 

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Die Gottheit Proserpina ist die Tochter Jupiters und der Ceres und Gattin des Pluto, der sie in die Unterwelt entführte und sie zu seiner Gemahlin machte.

Proserpina ist die Herrscherin über die Toten und Königin der Unterwelt.

 

 

 

 

Jagd auf den kalydonischen Eber (Metam. VIII.270-547)

 

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Rijksmuseum Amsterdam, RP-P-H-H-993

 

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Der kalydonische Eber wurde von Artemis ausgeschickt, um die Felder der Stadt Kalydon zu verwüsten. Der Eber war von weißer Farbe und war so groß wie ein Ochse. Er tötete Vieh und Arbeiter des Königs Oineus. Die tapfersten Helden Griechenlands rief König Oineus auf, den Eber zu jagen. Unter den Teilnehmern der Jagd war auch Atalanta, die jungfräuliche Jagerin aus Arkadien. Als die Jagd nach einem neuntägigen Festgelage endlich beginnt, versuchen die beiden Kentauren Hyalos und Rhoikos Atalante zu vergewaltigen. Atalante kann jedoch beide töten. Als die Jagdgesellschaft auf den Eber stößt und dieser mehrere Helden angreift, kann Atalante das Tier mit einem gezielten Bogenschuss ablenken. Im Schlachtgetümmel durchbohrt Meleager die Flanke des Ebers mit dem Speer und tötet das Ungeheuer.

 

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Atalante kann den kalydonischen Eber mit einem gezielten Bogenschuss ablenken.

 

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Mehrere Helden bekämpfen den Eber.

 

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Meleager durchbohrt die Flanke des Ebers mit dem Speer und tötet das Ungeheuer.

 

 

 

 

Aphrodite und Adonis (Metam. X.708-739)

 

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British Museum London, 1891.1116.136

 

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In der griechischen Mythologie ist Adonis Gott der Schönheit und einer der Geliebten der Aphrodite (in römischer Entsprechung Venus). Ihre Liebe musste Aphrodite mit Persephone teilen. Zeus verfügte, dass Adonis jeweils den dritten Teil seiner Zeit bei Aphrodite und Persephone leben sollte. Über das restliche Drittel konnte er frei verfügen. Als der eifersüchtige Ares (in römischer Entsprechung Mars), der sich in einen wütenden Eber verwandelt hatte, Adonis tötete, verwandelte Aphrodite jeden Tropfen auf den Boden fallendes Blut in ein Adonisröschen.

 

 

 

 

Der Fall von Troja (Metam. XII,580-619)

 

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Rijksmuseum Amsterdam, RP-P-H-H-991

 

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Mythischer Auslöser des Trojanischen Krieges war die Entführung der Helena, der Ehefrau des Menelaos, durch Paris, den Sohn des trojanischen Königs Priamos. Die vereinten Griechen zogen gegen Troja, um sich zu rächen. Trotz zehnjähriger Belagerung gelang es jedoch nicht, die stark befestigte Stadt zu erobern. Auf Rat des Odysseus bauten die Griechen endlich ein großes hölzernes Pferd, in dem sich die tapfersten Krieger versteckten, und täuschten die Abfahrt ihrer Schiffe vor. Die Trojaner holten entgegen den Warnungen der Kassandra und des Priesters Laokoon das Pferd in die Stadt. In der Nacht kletterten die Griechen aus ihrem Versteck, öffneten die Tore und konnten so die Trojaner überwältigen.

 

Die List von Odysseus brachte Troja zu Fall und nur wenigen Trojanern gelang die Flucht aus der brennenden Stadt. Unter ihnen befand sich Aeneas, Sohn des Anchises und der Göttin Venus, seine Frau Kreusa und sein Sohn Askanios. Da Anchises blind und gelähmt war, nahm ihn Aeneas auf seine Schultern und Askanios an die Hand. In dem Gewirr des Kampfgetümmels verlor er jedoch seine Frau und konnte sie nicht wieder finden.

Auf der Flucht schlossen sich ihm weitere Trojaner an und gemeinsam erreichten sie das Ufer des Meeres.

 

 

Benutzte Literatur

José Meco, Rainer Marggraf, Fliesenkultur in Portugal – Azulejaria Portuguesa, Rasch Verlag Bramsche 1989.

Ana Paula Rebelo Correia, Les représentations des Métamorphoses d’Ovide dans les azulejos baroques portgais. Influence des modèles gravés français.  Aspects dela réceptions d’Ovide (Universitè de Toulouse, 10 octobre 2017). ANABASES Traditions e Réceptions de l’Antique. 2019 p. 269-276 - Aspects de la réceptionn d’Ovide planches pl. III-VIII

Wikipedia

 

 

Fotonachweis

José Meco und Rainer Marggraf unter Mitarbeit von Karl-Heinz Voth.

Die Fotos aus dem Palácio de Tancos stammen aus dem Nachlass meines 1994 viel zu früh verstorbenen Fliesenfreundes Rainer Marggraf.

Für die grafischen Blätter:

Rijksstudio Amsterdam. Publiek domain.

British Museum London. © The Trustees of the British Museum.

National Gallery of Art, Washington C.C., © Public domain

 

(1) Publius Ovidius Naso (43 v. Chr. – 17 n. Chr.) war ein antiker römischer Dichter. Er zählt in der römischen Literaturgeschichte neben Horaz und Vergil zu den drei großen Poeten der klassischen Epoche. Ovid schrieb in einer Frühphase Liebesgedichte, in einer mittleren Phase Sagenzyklen und in einer Spätphase Klagelieder. Sein Werk hat sich in das kulturelle Gedächtnis der Nachwelt tief eingeprägt; hier ist vor allem sein Hauptwerk, die Metamorphosen, zu nennen. 

(2) Jean Lepautre (eigentlich le Pautre) (1618-1682) war ein französischer Kupferstecher und Radierer. Er arbeitete lange Zeit für eine Gobelin-Manufaktur. Sein Werk umfasst etwa 1.500 Kupferstiche, darunter auch ein Porträt von ihm selbst. Die meisten wurden als Sammlungen unter verschiedenen Titeln (Livre de miroirs tables etc.; Feuillages et autres ornements; Vases et bordures de miroirs; Escussons) veröffentlicht.

(3) António de Oliveira Bernardes (1662 - 1732) war ein bedeutender portugiesischer Maler in Öl und auf Azulejos (Fliesen) des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Er ist Teil des ‚Zyklus der Meister‘ der portugiesischen Fliesenmaler. In späteren Jahren arbeitete er mit Schülern, vor allem mit seinem Sohn Policarpo an Fliesengemälden.

 

 

Palácio de Tancos

Calçada do Marquês de Tancos 2, 1100-006 Lisboa, Portugal

info@palaciotancos.com

http://acasasenhorial.org/acs/index.php/pt/casas-senhoriais/pesquisa-lista/155-palacio-tancos