Mettlacher Platten in Schloss Nöthnitz

 

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Nöthnitz, Stahlstich um 1850.

 

Schloss Nöthnitz liegt ungefähr einen Kilometer von der Stadtgrenze Dresdens entfernt in dem Ort Bannewitz an der Verbindungsstraße von Dresden nach Zinnwald (Bundesstraße 170). Versteckt hinter einer hohen Parkmauer und dichtem Baumbestand wartet es darauf, entdeckt zu werden.

 

Das Schloss war von 1871 bis 1945 im Besitz der Freiherrn von Finck, ein Ort der Bildung und Kultur. Nach erfolgter Enteignung des Schlosses und zugehöriger Ländereien nach Kriegsende zog die Familie von Finck in die Bundesrepublik nach Leverkusen. Viktor von Finck wagte 1991 mit seiner Familie als Mieter die Rückkehr auf das Schloss. Sein Plan war, Schloss Nöthnitz als Arbeitsort des berühmten Johann Joachim Winckelmann (1717–68) ins Rampenlicht zu rücken. Winckelmann gilt als Wegbereiter der modernen Kunstwissenschaft und als Begründer der klassischen Archäologie. Auf Schloss Nöthnitz arbeitete er als Bibliothekar im Dienste Graf Heinrich von Bünaus (1697–1762), dessen Nöthnitzer Sammlung 42.000 Bände zählte. Viktor Freiherr von Finck gründete den Verein ‚Studienstätte Schloss Nöthnitz‘, um das Schloss zur Begegnungsstätte mit vielfältigem Kulturangebot zu machen,

 

Auf Einladung des Herrn Viktor Freiherr von Finck besuchte ich 1991 das Schloss. Ein Besuch des Schlosses ist besonders für Freunde historischer Fliesen interessant, denn hier findet man hervorragende Arbeiten des 17., 18. und 19. Jahrhunderts.

In einem Flur beeindrucken Wandflächen aus 177 niederländischen Fliesen mit 51 verschiedenen Darstellungen von Soldaten nach Druckgrafik des Jacob de Gheyn. Die Fliesen mit den Maßen 132x132x8 mm wurden in der Mitte des 18. Jahrhunderts in dem friesischen Städtchen Harlingen hergestellt. Die Wände des Treppenturms schmücken Amsterdamer Landschaftsfliesen und Utrechter Hirtenfliesen des 18. Jahrhunderts.

Herr von Finck erklärte mir, dass es in Fluren der ersten Etage Bodenbeläge gäbe, die nicht zum Stil des Renaissanceschlosses passten. Dies sei vor allem dort der Fall, wo die Soldatenfliesen angesetzt seien. Man überlege sich, diesen Zustand zu verändern. Ich konnte damals darauf hinweisen, dass man mit diesen Bodenbelägen besonders wichtige und wertvolle Beispiele frühindustrieller Fliesen (Mettlacher Platten) besitze.

 

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Harlinger Soldatenfliesen nach grafischen Vorlagen des Jacob de Gheyn.

 

Während über Lieferungen und Ansetzarbeiten von niederländischen Fliesen des 17. und 18. Jahrhunderts für Schloss Nöthnitz keine Unterlagen aufzufinden sind, liegen entsprechende Belege für die Lieferung und das Verlegen von 105 Quadratmeter Mettlacher Platten in Fluren des Schlosses vor.

Im Jahre 1895 veröffentlichte die Mosaik-Fabrik von Villeroy & Boch in Mettlach ein Verzeichnis der größeren öffentlichen Bauten in welchen seit 1865 Mettlacher Mosaik- und Wandplatten, Verblender sowie Stiftmosaiken ausgeführt wurden.

 

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Verzeichnis der größeren öffentlichen Bauten in welchen seit 1865 Mettlacher Mosaik- und Wandplatten, Verblender sowie Stiftmosaiken ausgeführt wurden.

 

Unter der Rubrik >Schlösser und Paläste< ist für den Jahrgang 1880 unter anderem Schloss Nöthnitz bei Dresden mit 105 qm Mettlacher Mosaikplatten genannt. Als Werksvertretung mit Fabriklager ist die Firma J. Horak im Victoriahaus in Dresden verzeichnet.

 

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Musterkarte aus dem Bestand der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart

 

In Schloss Nöthnitz wurden Mettlacher Platten der Nr. 391 und Friesplatten der Nr. 392 verarbeitet.

 

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Musterkarte aus dem Bestand der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart

 

In Schloss Nöthnitz wurden Mettlacher Platten der Nr. 112 verarbeitet.

 

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Wie wurden die Mettlacher Platten hergestellt?

Den Wert Mettlacher Platten kann nur der ermessen, der ihre weitestgehend in Handarbeit erbrachte Fertigung kennt.

 

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Einsetzen einer den Dekor darstellenden Schablone in einen würfelförmigen Stahlbehälter.

 

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Aufsetzen einer Abdeckschablone

 

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Einfüllen der einzelnen Farbschichten in die von der Schablone vorgegebenen Farbfelder.

 

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Nach dem Herausziehen der Metallschablone Einschütten der Hinterfüllmasse aus gröberem und ungefärbtem Steinzeugtonpulver.

Abschließend Hochdruckpressung mit ca. 250 bar und Brand im Ofen bei 1.120 bis 1.200 °C.

So entstand jede Mettlacher Platte abgesehen vom Pressen und Brennen in reiner Handarbeit.

 Im Preisverzeichnis über Mettlacher Platten von Villeroy & Boch (vom Januar 1896) ist das Herstellungsverfahren wie folgt beschrieben:
„Unsere sämmtlichen Platten werden trocken aus Staub gepresst mit Zusatz von Feldspath angefertigt und in Weissgluthitze gebrannt, so dass dieselben eine geschmolzene und verglaste Masse bilden.“

Unter § 1 des Preisverzeichnisses findet man die Beschaffenheit der seit 1852 gefertigten Steinzeugplatten wie folgt beschrieben: „Die Platten sind in hartgebrannter Steinmasse so hart und dauerhaft hergestellt, dass sie Funken am Stahl geben und jedem Einfluss der Witterung widerstehen. Die Farben sind 2-3 mm tief eingebrannt, treten sich daher auch bei stärkster Abnutzung nicht aus. Die Dauerhaftigkeit der Massen, die Schönheit der Färbung und die grosse Sorgfalt beim Sortiren sichern den Platten den Vorzug vor allem ähnlichen Material.“

 

Für Besichtigungen wenden Sie sich bitte an den Förderverein Schloss Nöthnitz e.V.

mail@freunde-schloss-noethnitz.de

 

Fotonachweis

Wikipedia: 01

Elvira Kless, Dresden: 02

Eigene Aufnahmen: 03 - 09, 11 - 13 und 15

Württembergische Landesbibliothek Stuttgart: 10 und 14

Werksarchiv V&B Mettlach: 16 – 19

 

 

Meinem Sohn Norbert danke ich für die Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.

 


Meine weiteren Berichte zu Fliesen in Schloss Nöthnitz

Harlinger Soldatenfliesen in Schloss Nöthnitz

www.geschichte-der-fliese.de/noethnitz.html

Amsterdamer Landschaftsfliesen und Utrechter Hirtenfliesen

im Treppenturm von Schloss Nöthnitz

www.geschichte-der-fliese.de/nhila.html